Sonntag, 28. August 2016

Zusammenfassung Gehlen und Plessner


Zusammenfassung Gehlen und Plessner

Gehlen, Der Mensch, Erstes Kapitel (Einführung), Plessner, Die Stufen des Organischen und der Mensch, Sechstes Kapitel. Der Text gibt nicht meinen Standpunkt wieder, sondern ist eine Zusammenfassung des Inhalts.

1. Der Mensch als biologisches Sonderproblem
Der Mensch muss sich selbst deuten. Die religiöse Deutung leitet den Menschen von Gott ab und ist nicht wissenschaftlich. Die evolutionistische Deutung leitet ihn vom Tier ab und ist wissenschaftlich zweideutig. Beide begreifen ihn mit Kategorien des Außermenschlichen. Es gibt noch keine Feststellung dessen, was der Mensch ist. Er ist unfertig. Die empirische Wissenschaft ist greifbar, ihre Aussagen sind aber fragmentarisch. Ist die Sonderstellung des Menschen berechtigt, kann man sie noch halten, wenn man die Grundprinzipien der Abstammungslehre zugibt? Einzelne Merkmale sind nicht spezifisch menschlich; etwa Körperbau, Bauten, Sprache. Warum hat die Natur uns das Bewusstsein gegeben, das störbar ist, und nicht einige Instinkte mehr? Der Evolutionismus erklärt den Menschen vom Tier, vom Leiblichen aus, kann ihn deshalb nicht als Menschen beschreiben, muss Köhlers Schimpansenexperimenten größten Wert beimessen und kann das menschliche Innenleben, Sprache, Willen, Erkenntnis, Moral nicht erklären. Nichtspezifische Betrachtung verfehlt die Sonderstellung. Spezifisch menschliche Gesetze zu finden -ist- biologisch. Die anthropo-biologische Fragestellung besteht in der Frage nach den Existenz bedingungen des Menschen. Das "noch nicht festgestellte Tier" findet sich in eine Aufgabe vor und braucht eine Selbstdeutung. Der Mensch lebt nicht, sondern führt sein Leben. Merkmale wie aufrechter Gang, Sprache und Intelligenz setzen sich gegenseitig voraus und lassen sich nicht durch ein einziges Merkmal begründen. Der Begriff der Ursache macht nur dort Sinn, wo Zusammenhänge isoliert werden können. Als Tier gesehen ist der Mensch unvollkommen. Wie kann sich so ein Mängelwesen am Leben erhalten? Das Denken ruht auf Funktionen, die über Hand, Auge und Sprache laufen, lässt sich nicht auf diese zurückführen. Kunst, Religion und Recht können nicht als bloße Reflexe des Organischen verstanden werden. Die höheren Funktionen gehören zu den Existenzbedingungen des Menschen.

2. Ablehnung des Stufenschemas
Gefühlsdrang; Instinkt; assoziatives Gedächtnis; praktische Intelligenz versus Geist. Das Stufenschema Schelers führt zu zwei Möglichkeiten; es gibt einen kontinuierlichen Übergang vom Tier zum Menschen, einen graduellen Unterschied zwischen der praktischen Intelligenz, oder der Mensch unterscheidet sich durch den Geist als entgegengesetztes Prinzip. Es gäbe Instinktwesen, Gewohnheits- und Gedächtnistiere, Tiere mit praktischer Intelligenz und der Mensch vereinige diese Welten, krönt sie mit dem Geist. Bewegungen, Handlungen, Sprache oder Intelligenz sind aber beim Menschen grundsätzlich anders. Der Mensch ist nur als handelndes Wesen lebensfähig.  Entwicklungsordnung der Leistungen und diese Ordnung als Stufen der Tiere zum Menschen will Gehlen gesondert widerlegen. Die neuere Tierpsychologie habe den Standpunkt, dass Instinkte die Vorstufe höherer geistiger Leistungen sind, widerlegt. Orientierungsreaktionen sind von Instinkten zu unterscheiden. Orientierungsreaktionen sind von steuernden Außenreizen abhängig, etwa wenn der Frosch sich zur Fliege hindreht, bevor er zuschnappt, auch ohne Versuch und Irrtum. Instinkte sind Bewegungsfiguren, können bei hohem Reizspiegel ohne Objekt ablaufen. Auslöser sind oft bestimmte Gerüche, Laute, Formen, Bewegungen. Die Auslöser lassen sich mit Attrappen nachahmen. Es besteht kein Stufenverhältnis zwischen instinktivem und intelligem Verhalten, sondern ein gegenseitiges Ausschließen. Ähnliche Tiere mit ähnlichen Instinkten lernen unterschiedlich gut, wie Dohlen und Kolkraben, Kolkraben lernen. Sehr verwandte Tiere zeigen ein unterschiedliches Jagdverhalten; Frösche sind Lauertiere, Kröten Jagdtiere. Instinktreaktionen beschränken sich nicht auf niedere Tiere. Die Intelligenz der Tiere folgt nicht ihrer Ragordnung in der zoologischen Systematik. Allgemeine Gesetze: Tiere lernen, verwerten Erfolgserfahrungen im Sinne eines besseren Ablaufs im Wiederholungsfall. Der Appetit nach einer Instinkthandlung kann das Tier dressieren. Spezifisch menschlich ist die Entlastung des Verhaltens; z.B. denkende oder praktische Tätigkeit im Dienst der Antriebe, auch unabhängig von Reizen wechselnder Situationen. Das menschliche Verhalten ist ablösbar vom Kontext der jeweiligen Situation, er ist nicht der Unmittelbarkeit ausgeliefert.

3. Erster Begriff vom Menschen. Stimme: 80 Hz bis 12 kHz, Gehör: 16 Hz bis max. 20 kHz.
Der Mensch ist weltoffen, kann also das Universale fassen. Antonym ist die Umweltfesselung. Fast alle Tiere sind an bestimmte regionale Umwelten gefesselt; körperlich, instinktiv usw. Die Instinkte eines Rehs arbeiten mit seiner Renngestalt zusammen. Die Umwelt ist das Milieu, an das der spezialisierte Organbau des Tieres angepasst ist und in dem die Instinkte arbeiten. Der Mensch ist das handelnde Wesen, vorsehend, auf das Nichtgegenwärtige angewiesen. Das Unfertigsein macht Zucht zur Existenzbedingung. Als Mängelwesen ist er unangepasst, unspezialisiert. Die Erfindung seiner Nahrungsmittel, Bedeckung, Verteidigung oder Klugheit sind sein eigenes Werk. Organisch mittellos ist er auf sich gestellt, um seine Existenz zu entwerfen. Instinktreduktion; Instinkte fehlen, die Vernunft ersetzt sie, hat aber auch die Irrtumsfähigkeit und Störbarkeit des Bewusstseins. Das Mängelwesen ist weltoffen, seine Existenzfähigkeit entwerfend, das handelnde Wesen. Die Umwelt des Tieres ist beim Menschen die Kulturwelt. (Kultur- und Naturmensch hier irreführend) Kultur ist das von Menschenhand Erschaffene. Nur der Mensch kann überall überleben, der Kulturbereich enthält die Existenzbedingungen. Die Weltoffenheit ist grenzenlos, weil er unter allen Bedingungen Existenzbedingungen erarbeiten muss. Im Zuge der Entlastung wird das Chaos als Resultat der Eigentätigkeit zur Wahrnehmungswelt, Entitäten werden zu Symbolen. Dinge werden verfügbar.(Vorhandenes wird potenziell Zuhandenes)

4. Fortsetzung derselben Anschauung
Die Weltoffenheit des Menschen öffnet ein unendliches Feld möglicher und wirklicher Sachverhalte, Erfindungen, um sein Leben zu ermöglichen. Schon im Kindesalter bringt der Mensch die Welt in Erfahrung. Bewegungen und Sinne, insb. Hände und Augen arbeiten dabei zusammen. Dinge werden bearbeitet und zu Symbolen. Es gibt Staunen im Chaos, die Welt wird tätig entzaubert. Entlastung: sich vom Druck unmittelbarer Eindrucksfülle entlasten, die Ausnutzung der Belastung ins Lebensdienliche. Nur ein unspezialisiertes Wesen ist auf Eigentätigkeit angewiesen. Tiere beherrschen nach wenigen Stunden bis Tagen ihre Bewegungsskala. Der Mensch kann sehr viele Bewegungskombinationen erlernen, denn seine Bewegungsskala ist unspezialisiert. Das kindliche Bewegungsapparat ist jahrelang unfertig, das Kind muss alles mühsam erlernen. Die Vielseitigkeit, die Möglichkeiten von Spezialisierungen sind nur durch die anfängliche Unspezialisiertheit möglich. Alle Bewegungen sind durch Seh- und Tastempfindungen zurückempfunden. Das Empfinden und Entwickeln der Bewegungen benötigt auch eine Innenseite, die innere Welt. Die Jungen der höheren Säuger machen im Mutterleib ein Nesthockerstadium durch. Babys sprechen erst ein Jahr nach der Geburt, vergleichbare Säugetiere hat diesen Zustand nach der Geburt. Im extra-uterinen Frühjahr kombinieren sich mit Erlebnissen unzähliger Reizquellen die Prozesse der Reifung. Die Fähigkeiten werden in der Welt durch Interaktion erlernt, bei Tieren sind diese angeboren. Der Kontakt mit der Außenwelt ist für die Entwicklung obligatorisch, insb. auch der Kontakt mit den Mitmenschen.

5. Handlung und Sprache
Der Mensch unterscheidet sich dadurch, dass er durch die aktive Auseinandersetzung sich entwickelt. Das Kind erfährt die Welt (ohne Triebe) spielend, bis das Auge die Welt beherrscht. Dabei entwickelt er Sprache, Kognition und Kommunikation. Eigentätig arbeitet er Belastungen um. Symbole werden im kommunikativen Umgang entwickelt. Das Tier ist im Bann der Unmittelbarkeit gefangen. Auch Lautbewegungen sind wie Tastbewegungen zugleich Bewegung und zurückempfunden. (Bewegungs-)Kommunikation (Sprache) ist symbolsetzende, organisierende Aktion. Danach ist auch ein aktives Verhalten möglich, das die Gegenstände nicht verändert. Lautbewegungen sind beliebig verfügbar und reproduzierbar. Handlungen sind mit Lauten situationsfrei symbolisch darstellbar und mitteilbar. Das Kennenlernen der (Laut-)Symbole ermöglicht auch das Vorstellen. So kann er sich auf Dinge richten, die nicht gegenwärtig sind. (Auch Tiere können sich durch ein Signal aktiv auf etwas richten!) Der Mensch richtet sich so auf Zukünftiges, wird vorsehend und tätig zugleich. Der Mensch kann die anderen Menschen verstehen. Entlastung vom Druck des Hier und Jetzt, eine Existenzbedingung.

6. Handlung und Antriebe
Vorausschauende Tätigkeit sowie die Entlastung aus dem Druck der unmittelbaren Gegenwart sind Ergebnis jahrelanger Auseinandersetzung. Das Mängelwesen muss erkennen um tätig zu sein, muss tätig sein, um morgen leben zu können. Bewältigung der Reizüberflutung durch Erfahrungsbewegungen lässt Symbole entstehen, an denen Erkenntnis einsetzen kann.  Sprache erwächst aus dem Leistungsaufbau und wird in ihm eingesetzt, an sie sind Erinnerung und Voraussicht gebunden. Das Tier lebt im Jetzt,Hunger führt zu Suchbewegungen. Es ist lebensnotwendig, dass die Bedürfnisse und Antriebe des Menschen in der Richtung der Handlung, der Erkenntnis und der Voraussicht funktionieren. Ferninteressen entstehen; elementare Bedürfnisse müssen erweitert werden nach Bedürfnismitteln. Das Antriebsleben des Menschen ist bewusst und somit störbar, sowie hemmbar und verschiebbar. Zwischen den elementaren Bedürfnissen und den Bedingungen ihrer Erfüllung steht das System der Weltorientierung und Handlung, also Praxis und Erfahrung, die über Hand, Auge und Sprache laufen. Instinktreduktion baut den Automatismus ab und ein vom Instinktdruck freies Verhalten auf. Weite Unabhängigkeit der Handlungen von Bedürfnissen und Antrieben, kein Appetenzverhalten wie beim Tier (variables Verhalten bei gleichbleibendem Ziel. Appentens: trachtend, begierig. Such- und Orientierungsverhalten: Wolf verspürt Hunger und begibt sich auf die Suche nach Beute.) Zusammenarbeit des Denkens, der Wahrnehmung, der Handlung, ist von Trieben entlastet, kann auf sich selbst gestellt werden, dafür müssen Bedürfnisse hemmbar sein, eingeklammert oder aufgeschoben werden können. Das Aufschiebenkönnen legt ein Inneres bloß, dieser Hiatus ist die vitale Basis des Phänomens Seele. Antriebe sind hemmbar, wodurch ein Hiatus entsteht. Antriebe werden an der Erfahrung zielbewusst, sind besetzbar mit Bildern und Erinnerungen, können den Veränderungen der Erfahrungen und Umstände folgen. Deshalb gibt es keine scharfe Grenze zwischen elementaren Bedürfnissen und bedingten Interessen. Auf gehemmten Interessen können höhere wachsen, die Bewegung in die Zukunft tragen. An der Erfahrung bebildert sind Bedürfnisse und Interessen in Beziehung zu anderen und somit verwerfbar. Auch Zwischentätigkeiten wie Sprache und Mittelhandeln werden zu Bedürfnissen. Erklärung des menschlichen Verhaltens als Instinkte und abstrakte Innenschau, Erklärung ohne Beziehung zur Handlung hält Gehlen für unzutreffend.

7. Antriebsüberschuss und Führung
Antriebsüberschuss ist nicht das Desintegrationsphänomen der Moderne. Er ist die Innenseite des Mängelwesens, das dem Druck der Aufgaben ausgesetzt ist. Tierinstinkte sind die Instinkte ihrer Organe, die in ihre Umwelten eingepasst sind. Den Wechsel der inneren und äußeren Bedingungen durchzuhalten ist gerade für den Menschen lebensnotwendig. Ausbildung von Dauerinteressen, morgens zur Arbeit, tägliche Daseinsbewältigung. Die Antriebsenergie vom Menschen übertrifft die von Tieren vergleichbarer Größe. Die chronische Bedürftigkeit erscheint physisch in Mängeln, geistig in der Reizüberflutung. Voraussicht, kann nur ein chronischer Antriebsüberschuss bewältigen. Antriebsüberschuss stoppt nicht bei Erfüllungssituationen, Weltoffenheit wird produktiv, überindividuelle Tatsachen werden als Motive in das Verhalten integriert, er entwickelt Aufgaben höherer Art, die sich in den verschiedenen Sozialordnungen niederschlagen. Verglichen mit Tieren hat der Mensch eine sehr lange Entwicklungszeit, Zeit bis zur selbstständigen Handlungsfreiheit. Auch in der Entwicklung hat der Mensch Antriebsüberschuss, der aber nicht sinnvoll genutzt werden kann. Im spielerischen Umgang der Bewältigung der Reizüberflutung erwirbt er sein Können, erst dann ist er fertig und mündig. Antriebshemmung ist erzwungen, aber auch Bedingung für die Entwicklung sozialen Lebens. Der Formierungszwang macht auch Minimalbedürfnisse hemmbar. Jemand, der nicht lernt, seine Antriebe systematisch zu kanalisieren, entartet in Überdruck, verfällt Süchten. Antriebsüberschuss ist Korrelat der chronischen Bedürftigkeit. Instinktreduktion ist Umweltablösung der Antriebe. Folge ist nicht durch Domestikation erklärbare Sexualisierung der Antriebe sowie die durchdringung der Sexualität mit Antrieben. Antriebsüberschuss führt zur Bereitschaft, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Diese bei Mammutjägern, polynesischen Sturmwindfischern oder den ersten Fliegern vorhandene Bereitschaft steckt in großen Leistungen. Antriebsüberschuss steckt in großen Schöpfungen. Als Mängelwesen ist der Mensch zuchtbedürftig. Er muss sich in einem System orientierten Willens fertigstellen. Gesellschaften können nicht mit Tierstaaten verglichen werden. Die Kindheit bietet einen Dauerschutz. Gehen und Sprechen gehen in das Können ein. Diese könnten auch ohne Führung entwickelt werden, aber nicht zu diesen Höchstleistungen führen. Durch die Erziehung wird die Kraft zur Selbstführung erst begründet, weil das Kind sich nicht selbst erziehen kann. Das Handeln und das dafür notwendige Können der tätigen Stellungnahme hat den Einfluss und die Gegenwart der Gesellschaft zur Entwicklungsbedingung.

8. Das Entlastungsgesetz - Rolle des Bewusstseins
Man kann das Bewusstsein nur im Zusammenhang mit der Handlung verstehen. Aufgrund der biologischen Mängel müssen Beziehungen zur Welt von der bloßen Gegenwart entbunden werden können. Er muss Erfahrungen deshalb selbst vollziehen, damit sie ihm verfügbar werden. Unspezialisiert und weltoffen muss der Mensch sich seine Lebenschancen eigentätig verschaffen. Pimäre Aufgabe des Menschen ist am Leben zu bleiben. Auch für das Volk, einst mächtige Völker wie die Carthager oder Burgunder sind untergegangen. Der Mensch macht selbsttätig aus Belastungen Chancen der Lebensfristung. Gehlen findet zu dieser Zeit keine Antworten in der Hirnforschung, deshalb macht er eine Nachkonstruktion des Aufbaus menschlichen Verhaltens. Die Technik, sich im Dasein zu halten, steckt schon in Strukturen seines senso-motorischen Lebens. Im Zuge der Bewegungsentwicklung ist das Wahrnehmungsfeld hochgradig symbolisch. Im Vordergrund steht der Gefäßcharakter einer Tasse, auch wenn das Material mitgesehen wird. Nach der Entlastung sind Kontaktstellen mit der Reizfülle auf ein Minimum reduziert. Die Aufladung der Eindrücke mit Symbolen setzt die Reizfülle voraus. Herstellung der Mittel ist voraussehend, von höheren Zentren gesteuert. Handlung ist vorausgeplante Arbeit. Wenn Phantasie entwickelt ist, können Kombinationen der geführten Arbeitsbewegungen entworfen werden. Das Verhalten wird zunehmend bewusst, geistig. Die Höchstleistungen sind im Kontext der physischen Beschaffenheit und der Lebensbedingungen zu sehen. Gewohnheit entlastet, Kontrollaufwand fällt weg. Das Verhalten entgleitet der Intervention des Bewusstseins und bildet die Basis für ein höheres Verhalten. Nur wer das Grundwissen einer (Fremd-)Sprache beherrscht, kann ihre Feinheiten herausarbeiten. Die Kontrollenergie wird von höheren Funktionen verwendet. Seit dem Neolithikum nutzt man Überschüsse für Vorräte. Man benötigt diese Arbeitskapazität für Forschung, Kunst oder Religion. Die Vielheit menschnlicher Antriebe macht hohe Kulturschöpfungen unstabil; Kulturen (Ägypten, Toynbee) haben eine kurze Blütezeit. Das Bewusstsein entsteht offenbar von der Wahrnehmung aus, im Sinne einer Steuerung und Dosierung des Verhaltens gegenüber entfernten Reizquellen. Automatisierte Abläufe werden erst dann bewusst, wenn sie nicht mehr reibungslos ablaufen. Das wahrnehmende Bewusstsein wird von Pradines auf zwei elementare Lebensfunktionen bezogen, auf Bedürfnis, also die Vorwegnahme abwesender Erfüllungsobjekte, und Verteidigung, also die Einwirkungen gegenwärtiger Objekte. Schmerzfähigkeit setzt Intelligenz auf den untersten Schichten der Wahrnehmung schon voraus. Schmerz ist eine Funktion des Tastsinns, Lust eine des Bedürfnisses. Sensibilisierung der Tastempfindlichkeit ermöglicht Schmerz. Das Bewusstsein ist zur Außenwelt hin gewendet, das Leben, das Sein vollzieht sich ohne unser Bewusstsein. Alles vollkommene Tun ist unbewusst. Das Bewusstsein ist nach außen gewendet, ein Hilfsmittel im Dienste des organischen Prozesses, nicht fähig oder dazu bestimmt, diesen zu erkennen. Bewusstsein ist zuerst Wahrnehmung, aus den gesamten organischen Bedingungen heraus, also sich selbst unableitbar. Vielleicht ist unser Handeln Teil eines höheren Plans.

9. Tier und Umwelt. Herder als Vorgänger
Es gibt eine vollkommene Harmonie des Trieb- und Instinktsystems jeder Tierart, Triebe, Organe, Umwelt und Lebensweise harmonieren. Klauen, Zähne und Darmkanal harmonieren miteinander. Jede Art hat ihre artspezifische Umwelt. Die Welt der Zecke besteht nur aus Licht- und Wärmeempfindungen und Buttersäure-Geruch. Die Zecke beweist Harmonie zwischen Organen, Umwelt und Lebensweise. Umwelt ist hier zugängliche Außenwelteindrücke. Bienen sehen nur aufgelöste Formen, wie Sterne und Kreuze, dagegen keine geschlossenen, wie Kreise oder Quadrate: weil nur die Blüten den ersteren entsprechen, die für Bienen ein lebensnotwendiges Interesse haben, nicht aber Knospen, die noch geschlossen sind. Das gilt auch für die höchsten Tiere. Als Bodentiere haben Paviane die lange Nase anderer Bodentiere (Hundsaffen), die als Luftfilter und Luftbefeuchter dient, während die Nasen baumlebender sehr weitgehend zurückgebildet ist. Tiere, die sich von unbewegten Gegenständen ernähren, reagieren auf Form- und Farbeindrücke. Jagdtiere reagieren auf bewegte Reize. Die spezialisierte Wahrnehmung ist von hohem Vitalwert, schlägt automatisch in eine Reaktion um. Ein Huhn hört bei Verdunkelung des Lichts auf zu picken, auch wenn es Hunger hat und man Geräusche fallender Körner erzeugt, es bleibt ruhig und schläft ein. Uexküll vergleicht die Sicherheit, mit der sich ein Tier in seiner Umwelt bewegt, mit der entsprechenden eines Menschen in seiner Wohnung. In diese Wohnung findet das Tier Bedeutungsträger: seine Nahrung, seinen Weg, Gatten, Feind. Viele Tiere nehmen nur die Gestalten, Farben, Dufte und Geräusche wahr, die von ihren speziellen Bedeutungsträgern ausgehen. Haustiere, deren Domestikation das ursprüngliche Verhalten verändert hat, sind eine Ausnahme. Sonst haben nur wenige Spezies mit großen Vermehrungsraten (Sperlinge und Ratten) einen beachtlichen Grad von Umweltneutralität erreicht. Gerade die höchsten Säuger wie Elefanten, Anthropoiden, Raubkatzen sehr spezialisiert und im wilden Zustand streng umweltgebunden. Organe der Ernährung, Bewaffnung, Bewegung, Fortpflanzung, Sinnesorgane und Körperbedeckung sind sehr verwendungsspeziell und und bilden einen je sehr ausgeprägten, besonderen Zusammenhang, ein System, dieses System ist seiner spezifischen Umwelt angepasst. Die Fische, die von etwa 20 Nachkommen eines Krebses statistisch 19 samt der Mutter wegschnappen, fressen nicht das Zwanzigste, rotten die Krebse nicht aus,das System bleibt im Gleichgewicht. Diese Umwelttheorie Uexkülls war ein neuer, genialer Griff und lehrte uns,dass die Welt der Tiere nicht die unsrige ist. Einen Mangel der Theorie Uexkülls sieht Gehlen darin, dass Uexküll die Theorie auf den Menschen übertrug und sagte, der Wald sei für den Dichter, Jäger, Holzhändler, Verirrten usw. je ein anderer. So verwechselt man das umweltbezogene Instinktverhalten der Tiere mit den erworbenen Spezialisierungen des Menschen. Die Weltoffenheit und Instinktreduktion des Menschen führt zu Institutionen. So wie die Tiergruppen und -symbiosen durch Auslöser und Instinktbewegungen zusammengehalten werden, gibt es bei Menschen Institutionen, in denen es quasiautomatische Gewohnheiten des Denkens, Fühlens, Wertens und Handelns gibt. Die Umwelt der Tiere ist bei Menschen die Kulturwelt. Umwelt sind die Gesamtheit der Bedingungen, in denen ein Organismus sich organisiert hält. Durch planende und voraussehende Veränderung schafft der Mensch die Kulturwelt und kann überall leben. Schon der Australier verfügt über 200 Geräte und Techniken. Institutionen sind technische Werkzeuge, Sprache, Rituale, sowie die Institutionen Familie, Staat und Kirche. Die Technik ist ein Organersatz bzw. Organverlängerung. Noch in historischen Zeiten haben Menschen ihre Umwelte gewechselt, große Wanderungen erforderten eine Revolution der Kultur, Umstellung der Lebenstechniken und Denkmittel, bis zu Religionen. Jeder Mensch auf jeder Kulturstufe erlebt sich und seine Gesellschaft als Teile der Welt. Für das Eichhörnchen existiert die Ameise am gleichen Baum nicht, für den Menschen existieren beide, ferne Berge und Sterne, die wahrzunehmen biologisch überflüssig ist, und Götter. Der Mensch hat ein variables, bewusst gesteuertes Verhalten, das erst in der sozialen Wechselwirkung sich feststellt, vergleichmäßigt, habitualisiert, aber für neue zusätzliche Motivationen offensteht, entwicklungsfähig bleibt. Herder sagt, der Mensch habe kaum Instinkte, keine angeborenen Kunstfäigkeiten und Kunsttriebe und Spricht von einer "Sphäre der Tiere" (Umwelt), in der das Tier lebenslang bleibt und stirbt. Je schärfer die Sinne der Tiere, je wunderbarer ihre Kunstwerke, das Können, desto kleiner ist ihr Kreis. Herder spricht vom eigenen Charakter des Menschen, mit dessen Auftreten sich die Szene ganz ändert. Das Kind kommt ohne Können auf die Welt. Aus Lücken und Mängeln entsteht der Charakter der Menschheit, Sprache, Vernunft, Besonnenheit. Es gibt kein Stufenschema versus Geist. Das menschliche Bewusstsein setzt eine besondere morphologische Ausstattung, eine besondere Bewegungsfähigkeit, Wahrnehmungsleistung und Antriebsstruktur voraus, eine ganz verschiedenartige Richtung und Auswickelung aller Kräfte. Die philosophische Anthropologie hat seit Herder keinen Schritt vorwärts getan, sie braucht auch keinen Schritt vorwärts zu tun, denn dies ist die Wahrheit.

Die Stufen des Organischen und der Mensch

Plessners Anthropologie bildet sich um die Grundkategorie der exzentrischen Positionalität. Sie lässt sich anhand zweier Leitfragen rekonstruieren. Was unterscheidet belebte von unbelebten Phänomenen? Im Unterschied zu anorganischen Körpern haben Organismen ein Verhältnis zu ihrer Umwelt, das über ihre Grenze reguliert wird. Pflanzen und Tiere sind "grenzrealisierende" Wesen. Wie organisieren sich lebendige Phänomene? Plessner unterscheidet drei Organisationsformen (Stufen) des Lebendigen: Pflanze, Tier und Mensch nach ihrer jeweiligen Positionalität. Pflanzen sind offen organisiert,sie haben keine zentralen Organe. Tiere sind zentrisch organisiert, sie leben aus einem Mittelpinkt heraus. Die Organisationsform des Menschen ist exzentrisch, weil der Mensch jederzeit in ein reflexives Verhältnis zu seinem Leben treten kann. Ein Moment dieses reflexiven Verhältnisses bildet das Selbstbewusstsein, das Plessner nicht wie in der philosophischen Tradition üblich als geistiges Phänomen behandelt, sondern aus seiner biologischen Wurzel heraus entwickelt. Er analysiert diese Organisationsweise als Doppelaspekt: als Menschen haben wir einen Körper und sind zugleich ein Leib.

1. Die Positionalität der geschlossenen Form. Zentralität und Frontalität.
Tiere sind zentrisch organisiert, sie leben aus einem Mittelpunkt heraus. Tiere haben zwar einen inneren Antrieb, ein Zentrum, doch können sich nicht selbst auf dieses Zentrum beziehen. Sie gehen im Hier und Jetzt auf. Menschen können in ein Verhältnis zu sich selbst treten. Tiere sind ihr Leib, Menschen haben außerdem einen Körper. Tiere gehen im Erleben auf, Menschen können sich auf ihr Erleben beziehen, sich beim Erleben erleben. Die Position des Tieres ist eine doppelte: das der Körper selber sein und das im Körper sein. Die raumhafte Mitte, der Kern bedeutet das Subjekt des Habens oder das Selbst. In der Oszillation von Insein und Außensein, die auf dem Untergrund des der Körper selbst Seins die Positionalität kennzeichnet, liegt die Grenze für die Rückbezogenheit des Dinges auf sich selber. Alles, was dem Tier gegeben ist, steht in Beziehung zum Hier-Jetzt, es geht im Hier-Jetzt auf. Positional bildet das Tier als Individuum ein Hier-Jetzt, gegen das Außenfeld und eigener Körper konzentrisch stehen und Einwirkungen erhalten. Dass es den Körper beherrschen kann, macht den Positionalitätscharakter des Tieres aus, trägt seine Existenz. Dem Tier ist sein Hier-Jetzt-Charakter nicht gegenwärtig. Jedes Tier ist ein Zentrum, für das eigene Leib und fremde Inhalte gegeben sind. Spontaneität ist ein Merkmal der Positionalität der geschlossenen Form. Im unmittelbaren Beginnen lebt das Tier impulsiv, bewegt seine Glieder spontan und reagiert auf Reize. Die Frontalität ist die gegen das Umfeld fremder Gegebenheiten gerichtete Existenz. Der Doppelaspekt von Körper und Leib ist der positionale Gegenwert der Trennung in eine das Zentrum mit enthaltende und eine vom Zentrum gebundene Körperzone. In dieser Distanz des Kerns seiner Positionalität, in dieser Abgehobenheit seiner raumzeithaften Mitte liegt der Grund für seine Bewusstheit. Die bisher gebildeten Begriffe hatten die Aufgabe, die Sphäre der Positionalität herauszuarbeiten. Positionalität ändert sich mit der Organisationsform. Die geschlossene Form, ausgezeichnet durch Kerndistanz zum eigenen Körper,hat den Charakter der Frontalität, der Gegenübergestelltheit, der gegen fremde Gegebenheiten gerichteten und durch eine Kluft von ihr getrennten, also abgeschlossenen Existenz. Im Bewusstsein agiert das Tier aus einem Impulszentrum heraus.

2. Die Zuordnung von Reiz und Reaktion bei ausgeschaltetem Subjekt (Typ der dezentralistischen Organisation)
Es gibt zwei Möglichkeiten, der Position der Frontalität gerecht zu werden; duch Dezentralisation, also durch Ausschaltung des Bewusstseins, oder durch Zentralisation, also durch Ausgestaltung des Bewusstseins. Merken ist gehemmter, Wirken enthemmter Erregung äquivalent. Zwischen beiden steht die Sphäre des Bewusstseins, durch die der Übergang vom Merken ins Wirken stattfindet. Die Chance der richtigen Antwort wächst mit der Einengung des Spielraums zwischen Reiz und Reaktion. Einengung besteht entweder als Ausschaltung des Bewusstseins oder als Einschaltung des Bewusstseins durch das Korrektiv der Erfahrung. Die Umgehung des Bewusstseins ist Einschaltung des Körpers in das Umfeld mit Hilfe seiner rezeptorischen und effektorischen Organe. Diese Einschaltung ist keine starre Bindung, die aus dem Tier eine Pflanze macht, sondern eine Bindung innerhalb bestimmter Grenzen, die dem Lebewesen Spielraum verschaffen. Die Merksphäre wird nach Kategorien des Motorischen gestaltet und in den Dienst der Nahrungssuche, Verteidigung, Begattung, Eiablage usw. gestellt. Die Aktionsrelativität der Empfindungen ist Ersatz für die fehlende objektive Einheitlichkeit des Umfeldes. Merkmalsträger und Wirkungsträger fallen immer im gleichen Objekt zusammen, alle Tiere sind in die Objekte ihrer Umwelt eingepasst. Die Umwelt eines Tieres ist nur von Dingen erfüllt, die diesem speziellen Tier allein angehören, der Regenwurm ist nur von Regenwurmdingen, die Libelle ist nur von Libellendingen umgeben. Dinge sind sensorisch Signale, motorisch Bedürfniserfüllungen, gehen ganz im Funktionskreis auf, der Tiersubjekt und Umwelt zur Einheit verbindet. Dezentralisation ist Ausschaltung des Bewusstseins. Bei dezentralistisch organisierten Tieren ersetzt die Einheit des Plans die Einheit des Impulses. Der einzelne Gegenstand im Umfeld macht sich für den Plan des Tieres durch charakterischtische Kombination von Reizen, die einen puren Signalwert haben, bemerkbar. Jedes Organ, jeder Muskelstrang handelt eigenmächtig, dank dem Plan kommt Vernünftiges dabei raus. Wenn der Hund läuft, bewegt das Tier die Beine, wenn der Seeigel läuft, bewegen die Beine das Tier. Das zurücktreten der sensorischen hinter den motorischen Apparaten, Abdeckung der Objektwelt bis auf spärliche Signale zugunsten des reibungslosen Ablaufs der für den Körper notwendigen Aktivitäten ist der durchgehende Charakterzug der dezentralistischen Organisationsform.

3. Die Zuordnung von Reiz und Reaktion durch das Subjekt (Typ der zentralistischen Organisation)
Das Tier merkt nicht, dass und wie das Auseinanderfallen der Merksphäre und Wirksphäre beim dezentralisierten Typus auf das Umfeld wirkt. Nur die Quallen empfangen ihre Bewegungen als Reiz zurück. Das Umfeld ist nur sensorisch, nicht motorisch in Signalen präsent. Motorisch geht das Tier in seinen Aktionen auf, wie es im Hier-Jetzt-Kern seiner Position aufgeht. Wählt das Leben für die Zuordnung von Reiz und Reaktion den Weg über das Bewusstsein, über das Subjekt, so müssen Aktionen auf Grund der Empfindungen erfolgen. Die Notwendigkeit entsteht, das Umfeld durch Sinnesorgane zu kontrollieren, um dem Tier die Situation zu zeigen, in dem es sich befindet, und ihm die Wahl einer bestimmten Bewegung zu überlassen. Im Vergleich mit den einfach signalisierenden Sinnesdaten gewährt die Differenzierung der Rezeptoren einen Überschuss an Gegebensein, der nicht mehr auf bestimmte Aktionen und Aktionsketten, sondern nur noch auf einen Aktionstypus relativ ist. Wenn die Aktionen unter die Kontrolle der Empfindung kommen, gibt es eine gegenständliche Wirksphäre des Umfeldes, das Tiersubjekt ist sensomotorisch vom Umfeld eingeschlossen, das Umfeld enthält erst dann Dinge nebeneinander, nacheinander usw.  Mit der Totalrepräsentation des eigenen Körpers ist die höchste Stufe des tierischen Wesens erreicht, das Tier erhält den größten Freiheitsgrad, die stärkste Machtfülle. Zugleich büßt das Tier an Sicherheit der individuellen Aktion ein, die Fehlerchance wird größer. Es unterscheidet die verwirrende Fülle an farbigen und geformten Vildern in seiner Umgebung, die Entscheidung im Einzelfall wird erschwert. Instinkt und Erfahrung kompensieren die Unsicherheit. Die Kontrolle der Bewegung wirkt hemmend auf ihren Ablauf. Selbst beim Menschen sind gewisse Zonen des Körpers unter autonomen Systemen unabhängig von der Zentralkontrolle des Gehirns, dem spontanen Zugriff entzogen. In der zentralistischen Organisation werden Reiz und Reaktion bewusst einander zugeordnet. Geschlossene Organisation eines lebendigen Körpers bietet positional die Möglichkeit bewussten Seins. Wenn die Organisation noch nicht auf das Gebiet des Motorischen, also der Aktion ausgedehnt ist, kann das Tier seine Aktionen,vor allem seine Bewegungen im Umfeld nicht merken, das Umfeld präsentiert sich ohne Grenzen und innere Struktur. Als reine Merksphäre enthält das Umfeld bloße Zeichen, auf welche das Tier reflektorisch reagiert, das Umfeld ist reines Signalfeld. Ist jedoch das Organisationsprinzip der geschlossenen Form auf die Motorik des Körpers ausgedehnt, merkt das Tier seine Bewegungen im Umfeld, so merkt es sich, seinen Leib, die von ihm eingenommene Zone, das Umfeld rückt mit eigener Grenze von ihm ab und bekommt Struktur. Statt sich in seinen Aktionen zu verlieren und in ihnen aufzugehen, ohne etwas von ihnen zu merken, empfindet das Tier nun sein Greifen und Loslassen, kann seine Aktionen lenken und ihren Ablauf kontrollieren. Das Umfeld präsentiert sich griffig, nicht mehr als reine Merksphäre, sondern als Merk- und Wirkungssphäre. Als Aktionsfeld bietet es Möglichkeiten und ist ein Feld von Bewegungen und Griffen, die noch zu machen, aber auch zu unterlassen sind. Jetzt können die sinnlichen Daten im Sehgebiet, Riechgebiet, Tastgebiet, Hörgebiet usw. als auf einen Kern bezogen, um einen Kern gelagert gemerkt werden. Als Aktionssphäre bietet der Inhalt der Merksphäre harrende Bewegungschancen gegenständlich dar. Was als Struktur der Haltbarkeit am Dinggebilde auftritt, ist in Wahrheit sein Bezug zur Motorik des Lebewesens, welches das Ding annimmt. Lenkbarkeit der Bewegungen mit dem eigenen Körper (auf Grund der Empfindbarkeit der Bewegungen) und dingliche Struktur des Umfelds entsprechen einander. Zentralistische Organisation eines lebendigen Körpers und Auftreten von Dingen in seinem Merkfeld sind notwendig koexistent. Die Wahrnehmung von Dingen setzt keine Abstraktion aus vielen Einzeleindrücken voraus. Die in der sinnlichen Konfiguration des Gebildes unmittelbar präsente Möglichkeit, die es zum Ding macht, auf einem Stuhl Platz zu nehmen, aus einer Tasse zu trinken, oder sie in die Hand zu nehmen, diese vom Phänomen implizierte Möglichkeit ist nichts Abstraktes. Die Methode, nach der Dingbeziehungen im Außenfeld dem Lebewesen merkbar werden, ist dieselbe, nach der es Kunde von Fremdem und Eigenem überhaupt erhält: durch Repräsentation im Zentralorgan. Am räumlichen Gehirn prägt sich die Repräsentation auch räumlich aus. Steigende Differenzierung bedingt Lokalisation der Funktionen, Lokalisation bedeutet zugleich Typisierung, Vereinfachung, Formulierung, mit solchen Formeln sind dem Tier Merkfeld und Wirkungsfeld fest gegliedert. Durch ein Gleichgewichtsorgan von der Struktur des Bogengangsorgans wird das Gehirn zum gemeinsamen Feld für alle räumlichen Messungen, die sowohl für das Auge und die Tastorgane als auch für die Bewegungen der Gliedmaßen gelten. Die Neutralisierung des Zentralorgans gegen Bewegungen und Lageverschiebungen des eigenen Körpers und der Außendinge ist erreicht. Zentralistische Organisation ist dinglicher Gliederung des Außenfeldes koexistent, stellt dem Lebewesen die Mittel bereit, von ihr Kenntnis zu erhalten und auf sie zu wirken. Diese Koexistenz beweist nicht die Realität. Die zupackende Aktion ist ein Realitätskriterium, erreicht aber nicht die koexistierenden Glieder der Relation. Wovon das Tier sich durch Aktion überzeugen kann, existiert im gleichen Sinne wie es selbst. Die Natur zwingt die Tiere nicht zur Anpassung, Tiere formen die Natur nicht nach ihren Bedürfnissen. Koexistenz ist Übereinkommen zwischen voneinander getrennten Sphären. Diese Trennung, dieser Hiatus, die Uexküll auf die Reize der Umwelt zurückführt, sind Anknüpfungspunkte und Schutzwand. Kontakt und Trennung durch Sinnesorgane, Gehirn und Aktionsorgane, Auswählen, zugänglich Machen und Entziehen sind beide Male Kontakt und Trennung zugleich, wie Zeichnen auch Weglassen bedeutet. Es gibt eine vermittelte Unmittelbarkeit zwischen Organismus und Welt. Gehirn und Sinnesorgane sind, ebensowenig für die Existenz des Bewusstseins überhaupt, nicht direkt für seine inhaltliche Gliederung verantwortlich. Eine Erregung der Retina ist weder die gesehene Figur noch bedeutet sie solche. Je differenzierter die Rezeptoren im Gehirn, desto vielfältiger die anklingenden Erregungen.

4. Komplexqualitative und dingliche Gliederung des tierischen Umfeldes
Positionalität ist für die empirische Tierpsychologie wichtig, um das körperliche Verhalten des Lebewesens auf seinen Bewusstseinszustand hin zu interpretieren, sonst bleibt sie nur Tierphysiologie. Die Tierpsychologie braucht objektive Disziplinierung und Interpretation, um sich etwa vor bequemen Anthropomorphismen zu schützen. Der Instinktbegriff ist nicht mehr einfacher Gegenspieler des Bewusstseinsbegriffes. Instinkte sind nun von Geburt an festliegende Richtungsbestimmtheit, die eine Breite besitzt, in der Handlungen ohne Zwang ablaufen. Manche Tiere sind Instinktspezialisten, Nestbau, Eiablage werden ohne Erfahrung vollzogen. Instinkt tritt nicht an die Stelle des Bewusstseins, sondern trägt und formt es. Beim mechanistischen Denken schlossen sich Instinkt und Bewusstsein aus. Nun gelten nicht Reflex-Vorstellungen, sondern die biologischen Gesamtfunktionen, die im Bauplan des Tierkörpers und in den Instinkten repräsentiert sind. Raschelndes oder krabbelndes Geräusch wirken auf die Eidechse, ein Pistolenschuss bleibt wirkungslos. In instinktfremden Situationen werden Tiere oft dümmer oder klüger erscheinen, als sie sind. Die Intelligenz, die in der Versuchsapparatur steckt, wird zu Unrecht auf das Tier übertragen. Hilfsmittel sollten dem Tier biologisch möglich und konform sein. Wenn die Fliege sich unüblich verhielt, wurde sie von der Spinne nicht mehr als solche erkannt. Volkelt vertritt die komplexqualitative Struktur des tierischen Wahrnehmungsbewusstseins. Bienen und Seeschwalben finden ihren Stock und ihr Nest kaum, wenn diese geringfügig verschoben werden, sie haben eine andere Wahrnehmungsweise als der Mensch. Unsere Wahrnehmungswelt steht unter der Ordnungsform der Dinglichkeit, für uns bleibt Fliege Fliege, Nest Nest. Tiere können durch irrelevante Veränderungen getäuscht werden, erstaunliche Gedächtnisleistungen gibt es nur bei Tieren, bei Bienen, Brieftauben, Zugvögeln. Die Gesamtsituation und nicht das Einzelne bestimmt das Verhalten des Tieres. Für Tiere gibt es keine Dinghaften Gebilde, die in das Feld der Sinnesdaten gegliedert sind, dieses Feld ist auch nicht in atomistische Elemente zerspalten. Die Handlungen des primitiven Organismus sind an das Auftreten bestimmter Inhalte, umfassender Gesamtkomplexqualitäten angeschlossen. Nicht Dinge, sondern sensorische Melodien und Konfigurationen sind die Dominanten tierischer Umwelt. So eine starr begrenzte Orientierungsart muss von Instinkten gelenkt werden. Köhler wollte primitive Intelligenz bei anthropoiden Affen nachweisen, um einen Übergang von Tier zu Mensch zu zeigen, Intelligenz muss sich an der Bewältigung einer Schwierigkeit zeigen. Schwierigkeit ist der Umweg, der vom kürzesten Weg zum Zielabweicht. Wird das Tier an der Bewegung in diese Richtung gehindert, findet aber über einen Umweg den Weg zum Ziel, so zeigt es Intelligenz. Als das Ziel über das Gitter hinübergeworfen wurde, kam der Hund sofort auf die Lösung, als das Ziel auf der anderen Seite lag, versagte er. Der Anthropoide ist imstande, zwischenziele durchzuführen, die allein sinnlos erscheinen, wie das Ineinanderstecken zweier Schilfrohre. Das zeigt alle Merkmale des intelligenten Handelns,das Tier erfasst die Feldstruktur seiner Umgebung. Sultan verlor seine Lösung unter bestimmten optischen Bedingungen. Köhler führt das auf Gestaltschwäche zurück, die vielleicht Mangel des Schimpansenbewusstseins ist. Tiere bleiben vor Aufgaben, die nur durch Beseitigung eines Hindernisses lösbar sind, ratlos. Selbst dem menschenähnlichsten Tier fehl der Sinn fürs Negative. Echte Dinge, wie sie der Mensch wahrnimmt, zeichnen sich durch ein Plus an Unsichtbarkeit, Negativität aus, haben Rückseite, verborgene Seiten. Diese Gegenständlichkeit ist selbst dem höchsten Tier verschlossen. Für Tiere mit zentralistischer Organisation bleibt das Ding im Umfeld Korrelat des sensomotorischen Funktionskreises, auf Haltbarkeit und Greifbarkeit baut sich das Spiel der Eindrücke auf. Tiere mit Zentralnervensystem nehmen nicht einfach komplexqualitative Melodien oder Konfigurationen wahr, wie Volkelt behauptet, sondern geschlossene, einzelne komplexe Dinge, doch diese besitzen keinen Gegenständlichkeitscharakter, sind Aktionsobjekte. Wozu kein Trieb da ist, davon bleibt auch die Wahrnehmung schwach. Das Tier nimmt Dinge wahr, deren Kernstruktur motorische Bedeutung hat und im Verhältnis zu seinen Aktionen ihren Sinn findet. Dem Tier ist jede Anschauung homogener Leere in Raum und Zeit versagt. Volkelts Theorie über Melodien und Konfigurationen im Umfeld gilt für die dezentralistisch organisierten Tiere, bei denen keine zentrale Repräsentation des Wirknetzes vorliegt. Die höheren Tiere, deren Leib zentral repräsentiert wird, erleben auch Dinge als Korrelate ihrer Motorik, damit gehen Abhängigkeit vom Triebleben, Gestaltschwäche und leichte Täuschbarkeit einher.

5. Intelligenz
Der fehlende Sinn fürs Negative setzt der Tierischen Intelligenz eine Schranke. Das Tier erfasst nur Feldverhalte, keine Sachverhalte. Die Beziehung zwischen dem Ziel und dem eigenen Körper ist das Maß für alle Beziehungen zwischen im Umfeld gegebenen Elementen. In dieser Frontalität orientiert sich das wahrnehmende und aktive Leben des Tieres. Nur beim Menschen gibt es Einsicht in den Sachverhalt, beim Tier bleibt es Gestalterfassung. Menschliche Einsicht ist oft auch nur Felderfassung (wie das Auflösen eines Knotens), die Später sachlich angegangen wird. Um einen Leiterbegriff zu haben, muss vorher Leiterhaftigkeit erfasst sein. Dem Tier fehlt der Sinn fürs Negative, Ideation und Begriffsbildung sind nicht möglich. Es kann aber Ähnlichkeiten erfassen, Hunde oder Affen können auf runde oder viereckige Dinge dressiert werden. In der Sphäre der dezentralistisch organiserten Tiere gibt es die Form der komplexqualitativen Anschauung, sensorische Melodien und Konfigurationen. Auf der primitivsten Stufe gibt es keinen Unterschied von Einzelheit und Allgemeinheit. Auf der Stufe dinglich geordneter Anschauung, in der Sphäre der zentralistisch organisierten Tiere bilden die im Feld gegebenen Elemente den Wahrnehmungsinhalt. So wird auch der jeweilige besonder Aspekt des Einzeldinges wahrgenommen. Konkrete Gestalten und Angriffspunkte sind für das Tier das Allgemeine. Zusammenhänge, konstante Charaktere werden nur als motorische Äquivalente bewusst. Echte Einzelheit und Allgemeinheit können nur erfasst werden, wenn das Negative als solches erfasst werden kann,das kann erst der Mensch. Echte Einsicht gibt es bei höheren Tieren, etwa bei Hunden. Tiere erfassen aber nur Feldverhalte, keine Sachverhalte. Die Grenzen tierischer Intelligenz; in jede zweite, dritte oder fünfte Schachtel wurde Schokolade versteckt, schon sehr junge Kinder fanden es heraus, Affen konnten das Zweite, Dritte, Fünfte nicht erfassen, da diese nur als Sachverhalt zu verstehen sind, nicht als Feldverhalt.

6. Gedächtnis
Tiere können lernen, Pflanzen nicht. Im ganzen organischen Reich gibt es funktionelle Anpassung. Dieselbe Reaktion wird mit steigender Wiederholung schneller und besser. Das Tier macht Erfahrungen und kann assoziieren. Der Organismus hat die Fähigkeit, aus spezifischen, empfangenen Kombinationen für die Bildung neuer Kombinationen Nutzen zu ziehen. Nicht bei allen Tieren, aber bei vielen Tieren gibt es Handlungen, also die Konfigurierbarkeit der Bewegungsreaktionen durch individuelle Vergangenheit des Organismus. Alles Lebendige,ob Pflanze oder Tier, ist seine Vergangenheit, auf eine an sich durch den Zukunftsmodus vermittelte Weise. Seiendes im Jetzt wird mittelbar durch sein Werden von der Vergangenheit gebildet. Lebendiges Sein in geschlossener Form ist ihmselbst gegenwärtig. Nach Maßgabe der zentralen Repräsentation hat es Umfeld und eigenen Leib. Durch den zentralen Kern, Bezugspunkt geht ein geschlossen organisiertes Lebewesen in dieser zentralen Selbstvermittlung auf. Zum Wesen eines geschlossen organisierten Lebewesens gehört, dass es seine Vergangenheit erlebt oder Gedächtnis hat. Die Position der Frontalität, raum-zeithaft charakterisiert, bedeutet jene Passhöhe, von der aus es rückwärts ins Gewesene und vorwärts ins Kommende geht. In der Beziehung zwischen Kommendem und Gewesenem vollzieht sich die Gegenwart des Lebendigen von geschlossener Form, für das Tier ist das Vergangene in der Mittelbarkeitsform des per hiatum, d.h. ihm präsent ist. So ist die Korrigierbarkeit tierischer Bewegungen durch eine individuelle Vergangenheit zu begreifen. Eine historische Reaktionsbasis, ein Assoziationsvermögen hat nur die Organisationsform des Tieres. Als offene Form kann die Pflanze nicht in Beziehung zu ihrer Vergangenheit stehen.
7. Das Gedächtnis als Einheit von Residuum und Antezipation
Das Leben bewahrt seine Vergangenheit durch sein ihm selber vorwegsein, eskann Nutzen aus der Vergangenheit ziehen. Leblose Dinge gehen unmittelbar (Eingravierung) in ihr Gewesensein über. Die mechanische Reproduktion, das Auswendiglernen, drängt zu reproduzierende Inhalte aus ihrer natürlichen Lage ab. Im gewöhnlichen Leben befördert und trägt das, was das Lebewesen zum Kommenden in Beziehung setzt, Trieb, Interesse, Wille die gedächtnisbildende, bewahrende Funktion. Dressur und Auswendiglernen engen diese Tendenzvermittlung ein. Gedächtnisbildung ist tendenzvermittelt, es gibt keine lückenlose Aufbewahrung und Abformung des Erlebten. Die Vergangenheit bildet in verschiebbaren Fragmenten die historische Reaktionsbasis. Es gibt eine innere Pause als Vermittlung. Was sich im Laufe seines Lebens an ihm und mit ihm begibt, eignet sich das Tier an. Die Aktualisierung der Erinnerung ist eine Organisierung. Die Ablagerung dessen, was dem Lebewesen begegnet ist, findet nur über seine Zukünftigkeit, Vorwegsein, über den Umweg ins Gedächtnis. Die Triebrichtung des Tieres ist das Selektionsprinzip seines Gedächtnisses. Wenn, dann sind hier die apriorischen Formen intelligenten Bewusstseins. Auf jeder Stufe, bewusst oder außerbewusst, ist die historische Reaktionsbasis eine Einheit von Residuum und Antezipation, also auf keiner Stufe ist die Vergangenheit, wie sie das lebendige Individuum behält, eine abgeschlossene Größe. Instinkte gehören dem Kreis der Angepasstheit an, sind vor aller Erfahrung da (bei Zugvögeln fliegen die Jüngsten, die den Flug noch nicht gemacht haben, voran) und keiner wesentlichen Korrektur fähig. Instinkte manifestieren im Verhalten eines Organismus die primäre Übereinstimmung zwischen ihm und der Umwelt in der Zeit. Ein Tier ist in seiner Abgehobenheit wesenhaft zum Handeln, zum Vollzug der Reaktion auf Reize der Umwelt gezwungen. Das Instinktleben hat mit dem Bewusstsein unmittelbar nichts zu tun, liegt auf einer Anderen Ebene als dieses.