Sonntag, 30. Oktober 2016

Was passiert im Irak?

Die Mossul-Offensive

Die lang erwartete Offensive zur Befreiung Mossuls hat Sonntagmitternacht am 17. Oktober begonnen. An der Offensive sollen etwa 60.000 Truppen aus insgesamt 60 Ländern beteiligt sein. Mossul ist die zweitgrößte Stadt des Iraks. Die Truppen kommen schwer voran, weil Ölfelder in der Nähe von Mossul angezündet wurden. Rauchwolken, die von brennenden Ölquellen aufsteigen, verschleiern den Himmel und erschweren dadurch die Einsätze der internationalen Koalition.

Es nehmen auch die Kämpfer von Hashd al-Watani, auch bekannt als Wächter von Niniveh, die von türkischen Soldaten ausgebildet wurden, am Angriff teil.

Die Offensive wird an drei Fronten geführt. Die vierte ist die westliche Seite, die nach Raqqa führt. Die irakische Regierung soll als Bedingung für die Sperrung der Ba'aj-Straße nach Raqqa gefordert haben, dass alle Zivilisten aus Mossul evakuiert (bzw. vertrieben) werden.

Am 20. Oktober 2016 hat die Regierung in Bagdad einen Haftbefehl gegen Atheel al-Nujaifi erlassen, weil er Verbindungen zu türkischen Soldaten hatte, die im Irak stationiert sind. Er habe sich mit einem fremden Land in Verbindung gesetzt, lautet der Vorwurf. Angesichts dessen, dass Dutzende Länder im Irak aktiv sind, ist das lächerlich.

Etwa Vizepremier und ehemaliger Finanzminister Hoshyar Zebari, Außenminister Ibrahim al-Jaafari, der ehemalige Premierminister und Vizepräsident Iyad Allawi sowie viele Minister sind britische Staatsbürger. Der Präsident Fuad Masum, Premierminister Haidar al-Abadi mussten die britische Staatsbürgerschaft beim Amtsantritt abgeben.

Nujaifi war bis Mai 2015 Gouverneur von Niniveh und ist nun Anführer der Wächter von Niniveh. Im Mai 2015 wurde er entlassen, weil Bagdad ihn für den Fall Mossuls verantwortlich gemacht hat, obwohl über 60.000 irakische Truppen im Juni 2014 aus der Stadt geflohen sind.

"Nicht zum Einsatz kommt die Türkei - obwohl sie gern würde", bemerkt N-TV am 17. Oktober hämisch. Am Montag, dem 24. Oktober erklärte der Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, dass die türkische Artillerie seit Beginn der Mossul-Operation 17 Daesh-Terroristen getötet hat. Vier türkische Kampfjets seien am Einsatz beteiligt. Am Mittwoch fügte er hinzu, Raqqa müsse durch lokale Kräfte befreit werden. Das Außenministerium teilte mit, dass die Meldungen in PKK-nahen Medien über drei Zivilisten, die bei türkischen Luftschlägen ums Leben gekommen seien, nicht der Wahrheit entsprechen. Die Türkei sei mit Artillerie, Panzern und Fırtına-Haubitzen im Einsatz, meldete Ministerpräsident Binali Yıldırım am Sonntag.

Es wurde ja bislang behauptet, dass die Türkei hinter ISIS steckt und nicht gegen ISIS vorgeht. Dadurch soll die Türkei handlungsunfähig und für den Genozid in Irak und Syrien verantwortlich gemacht werden, den ihre Gegner begangen haben. Über 15.000 Personen hat die Türkei vom 1. Januar bis zum Juli 2015 die Einreise verboten, etwa 1.500 EU-Bürger wurden ausgewiesen, weil sie verdächtigt wurden, sich ISIL anschließen zu wollen. Ab Juli 2012 wurden Grenzübergänge mehrere Male geschlossen, es wurden jedoch weiterhin Flüchtlinge aufgenommen. Seit Oktober 2013 wird sogar eine Grenzmauer gebaut.

Der türkische Premierminister Binali Yıldırım erklärte im Oktober: "Im Irak gibt es Truppen aus 63 unterschiedlichen Ländern, die am Kampf gegen Daesh beteiligt sind. Es ist absurd, dass die irakische Zentralverwaltung einzig und allein die Präsenz türkischer Truppen kritisiert. Die türkischen Soldaten werden diesen Standort nicht verlassen. Sie werden Daesh weiterhin bekämpfen und dafür sorgen, dass dort die Demographie nicht künstlich verändert wird." Darauf angesprochen sagte John Kirby, Sprecher des US-State Departments lapidar: "Die USA sehen die Türkei nicht als Teil der internationalen Koalition (im Irak)." Immerhin erklärte US-Verteidigungsminister Ashton Carter schießlich am Freitag, dem 21. Oktober, die Türkei sei Teil der Koalition für die Befreiung Mossuls. Am 22. Oktober 2016 teilte der Premierminister Binali Yıldırım mit, dass auch türkische Jets sich an der Offensive beteiligen werden. Yıldırım erinnerte daran, dass die Türkei eine etwa 350 km lange Grenze zum Irak hat. Die syrische Grenze ist 911 km lang. In Syrien und Irak werden Terroranschläge organisiert, die in der Türkei begangen werden.

Auch der ehemalige irakische Vizepräsident Tarek al-Haschemi, der von Maliki in die Flucht getrieben wurde, hat auf die Präsenz von Dutzenden Ländern hingewiesen und betont, dass das Ausbildungslager in Bashiqa errichtet wurde, nachdem al-Abadi im Jahr 2014 die Türkei um Hilfe gebeten hat.

Am 20. Oktober schreibt Mike Szymanski, Istanbuler Korrespondent der SZ, die Türkei habe sich seit 1923 außenpolitisch zurückgehalten. Man werde "Erdoğan schnell seine Grenzen aufzeigen, wenn er sie selbst nicht mehr erkennen sollte", hofft er. Dass andere Länder Tausende Kilometer zurücklegen, um in Syrien und Irak Zivilisten zu töten, stört ihn nicht, im Gegenteil. Er geht offenbar davon aus, dass sie das ewig tun können. Der "Krieg in Syrien" werde "durch die neue Angriffslust der Türken wird er noch unkalkulierbarer und blutiger".

Außenminister Çavuşoğlu erklärte am 26. Oktober, dass die Operation Schutzschild Euphrat bis al-Bab fortgesetzt wird, um eine sichere Zone zu schaffen, damit die Menschen in ihre Häuser zurückkehren können. Die Türkischen Streitkräfte teilten mit, dass am 64. Tag 99 Ziele von ISIL und 18 Ziele der PKK beschossen wurden. Bislang habe man 1.346 Sprengsätze und 31 Minen entschärft. Am 11. Oktober hatte man bereits ein 1.100 km2 großes Gebiet vom ISIL erobert. Am 16. Oktober wurde die Ortschaft Dabiq erobert, die sich etwa 40 km nordöstlich von Aleppo befindet. In Dabiq sollte laut ISIS die große Endzeitschlacht stattfinden.

Am Dienstag, dem 25. Oktober haben sämtliche Medien den aufgewärmten Bericht von HRW aufgetischt, laut dem es in der Türkei einen "Blankoscheck" für Folter gibt. Die einzigen Belege sind Fotos von einigen Putschisten, die im Affekt geschlagen wurden. Sie hatten Menschen mit Panzern überfahren, mit Maschinengewehren erschossen und mit Hubschraubern und Kampfjets beschossen und bombardiert. HRW und AI berichten auch mal über Folter in Syrien und Irak. Nur interessiert das niemanden und es gibt unzählige Foltervideos aus diesen Ländern, die als Andenken angefertigt werden. Am Freitagabend starb der 39-jährige türkische Familienvater Taner Demircivi nach einem Polizeieinsatz. Laut Statistiken werden wegen tätlicher Gewalt angezeigte Polizisten in Deutschland nur in Ausnahmefällen verurteilt.

Der Journalist Sam Charles Hamad findet es merkwürdig, dass viele in westlichen Ländern sagen, dass sie besorgt sind, weil die Türkei sich an der Offensive gegen ISIS beteiligt. "Verstehen sie denn nicht, was es bedeutet, wenn man den Hashd-al-Shabi-Milizen und den sektiererischen irakischen Soldaten und Polizisten freie Hand in Mossul lässt? Türkische Truppen könnten ethnische Säuberungen verhindern. Wir haben doch gesehen, wie die sektiererischen Sicherheitskräfte des irakischen Regimes Sunniten behandeln. Türkische Truppen wären ein sehr großer Stabilisierungsfaktor", schreibt Hamad.

Auf Deutsch hat Hashd al-Shabi die harmlos klingende Bedeutung Volksmobilisierungseinheiten (PMF). Unter den bekanntesten Gruppen, die den Hashd al-Shabi angehören, sind die Badr-Organisation, Asaib Ahl al-Haq, die sog. Friedenskompanien, Kataib Hezbollah, Kataib Sayyid al-Schuhada, Kataib al-Imam Ali, Harakat Hezbollah al-Nujaba und Kräfte von Abu al-Fadl al-Abbas. Gegründet wurde die Schirmorganisation Hashd al-Shabi nach einer Fatwa des Ayatollahs Sistani im Jahr 2014. Die Milizen gab es schon vorher.

"Schlacht um Mossul: Nur diese rücksichtlose Killermaschine kann den IS besiegen. Diese Miliz kennt keine Gnade. Experten sagen, nur sie kann den IS besiegen. Doch der Miliz werden Gräuel nachgesagt.", schreibt N24 am Sonntag, dem 23. Oktober. Damit sollen dem Leser die Gräuel schmackhaft gemacht werden. Die werden nicht nur nachgesagt, sondern sind seit dem Irakkrieg in unzähligen Videos zu sehen. Ohne die Hilfe der USA können die Milizen nicht einmal auf Toilette gehen. Ohne die Luftangriffe der US-Koalition wären weder schiitische Milizen noch die irakische Armee in der Lage gewesen, Tikrit, Baiji oder Ramadi einzunehmen. In Syrien übernimmt Russland diese Rolle. Dieses Vorgehen fördert Radikalisierung. Außerdem fragt man sich, wann sie wieder fliehen werden. Stattdessen sollte man auf repräsentative Kräfte setzen.

Der Sprecher der US-Operation im Irak und Syrien, Col. Christopher Garver, sagte im Juli, dass die Zahl der IS-Mitglieder in Mossul und Vororten auf über Zehntausend geschätzt wird. Im Oktober sprach ABC News jedoch von 3.000 bis 4.500 Kämpfern.

Yahya al-Tai, Sprecher der Vereinigung der Muslimischen Gelehrten im Irak (AMSI), sagte ebenfalls, dass sektiererische Gruppen, allenvoran Hashd al-Shabi, auch in Mossul Verbrechen wie in Fallujah begehen könnten. Man gebe ihnen einfach Armeeuniformen, damit sie am Einsatz in Mossul teilnehmen. Die Türkei könne Übergriffe verhindern. Sie sei innerhalb der Bevölkerung akzeptiert und habe zudem viele Hilfsorganisationen. Laut einem im Juni 2016 veröffentlichten bericht der AMSI gibt es im Irak 3,34 Mio. Binnenflüchtlinge.

In Mossul leben bis zu anderthalb Millionen Menschen. Die Gewalt der schiitischen Extremisten könnte eine neue Fluchtwelle auslösen. Der UN-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien teilte im August mit, man rechne mit der Flucht von einer halben Million Menschen aus Mossul. Die Hilfsorganisation UNHCR rechnet nun aktuell mit bis zu einer Million Flüchtlingen, von denen bis zu 700.000 humanitäre Hilfe benötigen könnten. "Familien sind einem extremen Risiko ausgesetzt, in die Schusslinie zu geraten oder von Scharfschützen ins Visier genommen zu werden", sagte O'Brien.

Der Journalist Tallha Abdulrazaq schreibt, dass die humanitäre Katastrophe in Mossul jene in Tikrit, Fallujah und Ramadi in Schatten stellen könnte. Die Schlacht um Mossul werde Monate dauern und einen hohen Blutzoll fordern. Die USA seien für diesen Genozid an den Sunniten mitverantwortlich, da sie ihn durch ihr Militär ermöglichen. Abdulrazaq spricht davon, dass Hashd-al-Shabi-Milizen und die irakische Armee unzählige Gräueltaten begangen haben. Sie hätten etwa Menschen gehäutet und Gefangene gezwungen, das Blut von Mitgefangenen zu trinken, die zuvor vor ihren Augen ermordet und zu Tode gefoltert wurden.

Als erste wurde Tikrit im Sommer 2015 befreit, danach Ramadi im Dezember, ein halbes Jahr später Falludscha. In der Grossen Moschee der Stadt hatte sich Abu Bakr al-Baghdadi 2014 zum Kalifen ausgerufen und seinen Herrschaftsanspruch formuliert.

Auch der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller (CSU), sagt: "Wir müssen uns auf monatelange Stellungskämpfe einrichten, und vor allem die Türkei dürfte wieder einen enormen Flüchtlingszustrom erleben." Der CSU-Politiker rechnet nicht mit einem schnellen Durchmarsch der irakischen Truppen.

Am Freitag, dem 21. Oktober sendete der Türkische Rote Halbmond, auch bekannt als Kızılay, 500 Tonnen Nahrungs- und Unterkunftshilfe nach Mossul.

Die Flucht aus den Dörfern in der Umgebung von Mossul hat bereits begonnen. Am 20. Oktober wurde berichtet, dass bereits 5.640 Menschen in die Flucht getrieben wurden. Am 26. Oktober waren es schon über 10.500 Menschen, sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric.

https://www.youtube.com/watch?v=QC4v33xvLBM

Am 27. Oktober haben schiitische Milizen in der Stadt Rutba in der Provinz al-Anbar zwei Moscheen zerstört, viele Häuser und private Fahrzeuge niedergebrannt. Sheikh Moneim al Qubeisi, ein Ortsansässiger, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Anadolu, sie hätten auch noch 23 junge Menschen entführt und an einen unbekannten Ort gebracht.

Es sind auch bereits neue Videos im Umlauf, in denen zu sehen ist, wie Zivilisten aus Mossul von Milizen misshandelt werden. In einem Video wird ein Kind, dessen Name laut eigener Aussage Ihab Muhammad ist, von irakischen Soldaten gefragt, ob er oder Mitglieder seiner Familie ISIS angehören und wird dabei geschlagen. In einem anderen Video wird ein Kind mit einem Hammer geschlagen. In einem weiteren Video haben irakische Truppen Kinder auf der Ladefläche eines Pickups gesammelt und foltern sie.

Am Freitag, dem 21. Oktober begann ein Gegenangriff von ISIS auf die Stadt Kirkuk. Augenzeugen berichteten von kleinen Gruppen bewaffneter Männer, die in Kirkuk eindrangen. Der Gouverneur von Kirkuk, Nadschmeddin Karim, vermutete, dass Schläferzellen an dem Angriff beteiligt waren. Es wurden u. a. das Polizeihauptquartier sowie eine Kraftwerksbaustelle angegriffen. Am Samstag wurde ein Fahrzeug der Nachrichtenagentur Anadolu in Kirkuk von Scharfschützen angegriffen.

Der Journalist David Hearst schreibt, dass die Frage, was danach passieren wird, ein noch größeres Problem sei als die Wiedereroberung. Auch Präsident Barzanis Berater Kifah Mahmoud teilt diese Ansicht. Fallujah sei kein gutes Omen für das, was in Mossul passieren könnte. Drei Monate nach der Befreiung ist die Stadt leer. Von Deraa, wo der syrische Aufstand begann, bis Mossul vertreibe man die sunnitische Bevölkerung aus ihren Wohnorten. Hearst zitiert Atheel al-Nujaifi, der sagt, dass die irakische Regierung, die USA oder internationale Organisationen bislang nichts unternommen hätten, um die Unterdrückung und Verfolgung von irakischen Sunniten zu verhindern. Zum Teil habe man die Verbrechen sogar geleugnet.

Oytun Orhan vom Thinktank ORSAM erklärt, das eigentliche Problem sei die Frage, wer nach der Befreiung das Machtvakuum füllen wird. Die Peschmerga könnten durch Luftangriffe der US-Koalition östlich von Mossul Erfolge erzielen. Die Regierung in Bagdad wolle die Stadt regieren, das irakische Militär sei jedoch keine nationale Armee mehr und hätte ein Kapazitätsproblem. Die Araber in Mossul sehen sie als Besatzungsmacht. Die Milizen sollen die Stadt zwar angeblich nicht betreten, sind aber unkontrollierbar und ohne sie kann die reguläre Armee nicht kämpfen. Wenn Hashd-al-Shabi-Milizen in Mossul eindringen, wird es zu Gräueln und Massakern kommen. In dem Fall könnte sich ein großer Teil der Bevölkerung erbittert zu Wehr setzen und radikalisieren. Die Kämpfer der Hashd al-Watani, die in Bashiqa ausgebildet wurden, sind Einheimische. Sie sind jedoch bislang nur einige Tausend Mann stark.

Tallha Abdulrazaq und Gareth Stansfield haben im Mai 2016 den Aufsatz Der Tag danach: Was erwartet Mosul nach dem IS veröffentlicht.

Für die Arbeit wurden 40 Personen befragt, die aus Mossul stammen. Keiner der Befragten hatte Vertrauen in die irakische Regierung und die Milizen. Mossuler befürchten, dass Einkerkerung, Folter und Mord auf sie zukommen, nachdem man sie zu Kollaborateuren erklärt hat. Dabei fallen häufig die Wörter Gemetzel, Genozid, Massaker und Zerstörung. Die irakische Armee hatte selbst vor ihrer Flucht sunnitische Gefangene kurzerhand hingerichtet.

Die von Schiiten dominierte Regierung in Bagdad, sowie Hashd-al-Shabi- und andere schiitische Milizen werden von den meisten sunnitischen Arabern nicht anders wahrgenommen als der IS. "Was ist der Unterschied zwischen ihnen [dem IS] und der Regierung mit ihren blutdürstigen Banden? Keiner von uns [Sunniten] hat jemanden durch ihre Kugeln, Klingen oder Bohrer verloren", sagt einer. Dabei bezieht er sich auf den gut dokumentierten Einsatz von Bohrmaschinen durch schiitische Milizen, mit denen sunnitische Häftlinge oder Geiseln seit dem Irakkrieg gefoltert oder ermordet wurden.

Schiitische Milizen haben irakische Frauen und Kinder in die Sexsklaverei verkauft. Zwei Frauen erzählten, wie sunnitische Witwen in Bagdad und anderen Städten zur Prostitution gezwungen wurden. "Sie haben sogar Bordelle eröffnet, in denen jeweils Dutzende Frauen zur Prostitution gezwungen wurden. Wenn sie nach Mossul kommen, werden sie unsere Männer töten und uns  in die Sklaverei verkaufen. Ich würde lieber sterben als für den Rest meines Lebens gedemütigt zu werden." Schiitische Imame hätten den Akt vor Ort als Zeitehe (Mut'a) abgesegnet.

"Die Türken sind bereits in der Nähe, sie sind Teil der NATO, warum können sie also nicht wie in Libanon oder Afrika als Friedenstruppe eingesetzt werden? Wir brauchen internationale Beobachter und eine eindeutige Botschaft, dass konfessionell motivierte Morde als Kriegsverbrechen geahndet werden, dass die Regierung zur Rechenschaft gezogen wird wie Saddam", sagt ein Mossuler.

Arabische Stammesführer, die 2014 vor dem IS aus Hawijah, Rabia oder Sinjar geflohen sind, sind ebenfalls in großer Sorge vor schiitischen Milizen und wollen eine sunnitische Miliz aus Stammeskräften bilden, die evtl. als Teil der irakischen Sicherheitskräfte agiert.

Die Mossuler haben Angst vor dem, was nach dem IS kommt. Die Hashd-al-Shabi-Milizen haben immer wieder Gewaltexzesse an der sunnitischen Bevölkerung verübt, etwa in Tikrit, Ramadi, Tal Afar, Jurf al-Sakhar, Muqdadiya und an vielen anderen Orten. Viele würden internationale Truppen unterstützen, die türkische und arabische Soldaten beinhalten, um die Stadt nach der Befreiung zu sichern.

Im Dezember 2015 hat das Washington Institute eine empirische Untersuchung über die Einstellung der Bewohner Mossuls zum Islamischen Staat veröffentlicht. Dabei wurde die zweite Befragung Anfang Dezember 2015 und die erste im Juni 2015 gemacht. 55% der Befragten sagte, dass sich ihr Leben sich seit anderthalb Jahren gebessert hat, im Juni waren es noch 21%. 39% sagen, dass ISIS ihre Ansichten oder Interessen repräsentiert. Im Juni waren es nur 10%. 57% wollen, dass der IS die Stadt verlässt, 39% wollen, dass er bleibt. Von diesen 39% unterstützt jedoch lediglich ein Drittel die Ansichten der Gruppe, während der Rest zivile Opfer fürchtet oder kein Vertrauen in die USA, die irakische Armee oder kurdische Kräfte hat. 45,8% sehen Luftangriffe der Koalition als die größte Bedrohung für die Sicherheit ihrer Familie, 37,5% den IS. Die Mehrheit ist gegen Luftangriffe der USA. Drei Viertel haben Angst vor den PMF und anderen schiitischen Milizen. In der arabischen und islamischen Welt habe ISIL jedoch im Allgemeinen kaum Unterstützung.

Der Einsatz der türkischen Armee im Irak: Wie steht die Bevölkerung dazu?

Seit 1996 sind türkische Soldaten im Nordirak stationiert. Die Bevölkerung der Kurdischen Regionalregierung (KRG) ist mehrheitlich kurdisch. Der Einsatz wurde zuletzt im Jahr 2011 um weitere sechs Jahre verlängert. Der kurdische Präsident Masud Barzani erklärte damals, dass die Sicherheit der Türkei und die Nordiraks aneinander gebunden sind.

Die türkische Armee bildet in der Nähe von Bashiqa Kämpfer der Peschmerga und der Gruppe Hashd al-Watani aus. Das Ausbildungslager in der kleinen irakischen Stadt Bashiqa befindet sich 12 km nordöstlich von Mossul. Im Dezember 2015 beschwerte sich das irakische Regime beim UN-Sicherheitsrat, als in Bashiqa stationierte türkische Soldaten durch neue ersetzt wurden.

Atheel al-Nujaifi, der in der Zeit von 2009 bis Mai 2015 Gouverneur der nordirakischen Provinz Niniveh war, begrüßte daraufhin die Präsenz türkischer Truppen in der Provinz und erklärte, diese sei „vom irakischen Premierminister Haider al-Abadi genehmigt worden und mit dem Wissen des Parlamentssprechers Salim al-Jabouri erfolgt“. Auch Präsident Masud Barzani bestätigte, dass die türkischen Ausbilder als Teil einer Vereinbarung zwischen Ankara und Bagdad in Bashiqa stationiert sind. Im Oktober 2016 bestätigte dies auch ein hochrangiger US-Amtsträger, der anonym bleiben möchte.

Die einschlägigen Vielkommentierer in den Kommentarspalten hiesiger Medien verbreiteten auch dazu ihre üblichen, steilen Thesen, die unermüdlich wiederholt werden: "Die Türkei steckt hinter ISIS. Die Türkei will da nur "die Kurden" töten. Warum tut die NATO nichts?"

Dabei hatte der irakische Premierminister Haidar al-Abadi höchstpersönlich türkische Soldaten eingeladen, als er am 25. Dezember 2014 in Ankara eine gemeinsame Presseerklärung mit dem damaligen türkischen Premierminister Davutoğlu abgegeben hat, damit diese Soldaten für den Kampf gegen ISIS ausbilden. Khalid al-Obaidi besuchte als Verteidigungsminister das türkische Ausbildungslager bei Bashiqa.

http://aa.com.tr/tr/vg/video-galeri/ibadi-yardimi-kendisi-istemisti/0

Rebiwar Hemed, Sprecher der kurdischen Partei Komeli, sagte im Oktober, dass die irakische Regierung die türkischen Truppen genauso zuvorkommend behandeln sollte wie die anderen ausländischen Truppen im Land. Auch Hemed erinnerte daran, dass al-Abadi die türkischen Ausbilder selber eingeladen hatte.

Hunderte Stammesoberhäupter aus Niniveh, die sich am 16. Oktober in Erbil versammelten, haben das Verhalten des irakischen Regimes gegenüber der Türkei scharf verurteilt und als töricht bezeichnet. Sie sprachen sich gegen die Beteiligung der schiitischen Milizen an der Operation in Mossul aus. Die Stammesführer sagten, es habe die irakische Zentralregierung nicht gestört, dass Qassem Soleimani und seine Milizen in Salahaddin, Diyala, Kirkuk und Bagdad auf den Leichen von Irakern getanzt und etliche fremde Länder sich in die inneren Angelegenheiten Iraks eingemischt haben. Dutzende Iraker versammelten sich am 9. Oktober vor der türkischen Botschaft in London und forderten Unterstützung bei der Befreiung Mossuls.

Personen aus Mossul, die befragt wurden, befürworten die Stationierung einer internationalen Truppe mit arabischen und türkischen Soldaten, um die Stadt gegen Übergriffe zu schützen.

Im September erklärte Mudhahim Ahmad al-Huwait, Sprecher der arabischen Stämme in Niniveh, dass sie die Beteiligung der Hashd-al-Shabi-Milizen an der Offensive ablehnen und bereit sind, Mossul selbst zu befreien. In der Region sei der Einfluss von Iran und Maliki nicht akzeptabel. Im Oktober hat al-Huwait die Anwesenheit der türkischen Truppen auf irakischem Boden verteidigt und daran erinnert, dass es hierzu zwischen der Türkei und dem Irak zwei Abkommen gibt.

Faruq al-Dhufairi, der dem Dhufair-Stamm angehört, erklärt, dass man auch vor Fallujah gesagt habe, die Milizen würden nicht an der Offensive teilnehmen. Der Gouverneur von Anbar, Suhaib al-Rawi, bestätigte und verurteilte die Folterungen und Massaker, die von den Milizen in Fallujah verübt wurden.

Raad Salman, der dem Dulaim-Stamm in Anbar angehört, sowie der Abgeordnete Hamid Mutlag berichteten, Hunderte Menschen seien gefoltert und ermordet worden. Mutlag sagte, der US-Botschafter Stuart Jones habe von den Gräueln der Milizen gewusst und nichts getan. Saadoon al-Shalan, Bürgermeister von Fallujah, berichtete, die Milizen hätten große Verluste erlitten und sich an fliehenden Zivilisten gerächt.

Walid Muhammedi, Politiker aus Fallujah, schilderte, die Milizen hätten einfach Uniformen der Regierungstruppen angezogen und Zivilisten aus Fallujah und Saqlawiyah getötet. Muhammedi sagte, der Polizeichef von Fallujah, Brigadegeneral Raid Shakir, sei zuvor Polizeichef der südirakischen Stadt Wasit gewesen und habe gute Beziehungen zu zwei Anführern der Hashd-al-Shabi-Milizen, nämlich Abu Mahdi al-Muhandis und Hadi al-Amiri. Am 27. Oktober erklärte Hadi al-Amiri zudem, dass die Milizen auch das Stadtzentrum von Mossul betreten werden, wenn die Regierung in Bagdad das will.

Laut einer damaligen Untersuchung des Völkerbundes sagten selbst sehr nationalistische Araber in Mossul, dass sie die Türkei gegenüber einem Irak bevorzugen, der unter fremder Kontrolle steht. Insbesondere Araber aus ärmeren Schichten hätten deutliche Sympathien für die Türkei. Gemäß dem Ankara-Abkommen von 1926 hat die Türkei dann Mossul dem Irak überlassen. Heute ist fraglich, ob der Irak überhaupt noch existiert.

Als im Jahr 1918 der Waffenstillstand von Mudros unterzeichnet wurde, waren die britischen Truppen jeweils etwa 50 km von Mossul und Erbil entfernt. Das Gebiet wurde nachträglich rechtswidrig besetzt. Der Vertrag von Lausanne im Jahr 1923 übergab die Entscheidung über das umstrittene Gebiet an den Völkerbund, der unter britischem Einfluss stand und sich zum Nachteil der Türkei entschieden hat. Gemäß dem Ankara-Abkommen von 1926 sollte die Türkei 5,5 Mio. Pfund als Entschädigung für die Rechte am Erdöl erhalten, wovon nur 3,5 Mio. gezahlt wurden. Die Vereinbarungen wurden nicht eingehalten.

Der turkmenische Abgeordnete Aydın Maruf bezeichnete das Verhalten des irakischen Regimes gegenüber der Türkei als sektiererisch motiviert. Nicht nur Araber, sondern auch Turkmenen in Mossul wollen, dass die Türkei sich an der Offensive beteiligt, so Maruf. Von Teheran gesteuerte Hashd-al-Shabi-Milizen könnten eine Katastrophe wie in Aleppo anrichten, erklärt er.

"Einsätze gegen Kurden: Irak warnt Türken vor drohendem Krieg", titelte etwa N24 am 5. Oktober 2016. Wir lesen:

"Die Türkei geht auch auf irakischem Boden gegen kurdische Kämpfer vor. Jetzt bestellte die Regierung Ankaras Botschafter ein. Es bestehe die Gefahr eines Krieges zwischen den Nachbarstaaten. Der Irak hat die Türkei aufgefordert, ihre Soldaten aus dem Norden des Landes abzuziehen. Andernfalls drohe ein regionaler Krieg, sagte Ministerpräsident Haider al-Abadi im staatlichen Fernsehen."

Die irakischen Kurden fühlten sich durch Maliki und seine Politik bedroht und festigten ihre Beziehungen zur Türkei, um der Politik Bagdads zu begegnen.

Im August hatte Ministerpräsident al-Abadi verkündet, Peschmerga dürften Mossul nicht betreten, wenn die Offensive beginnt. Mark Toner, Sprecher des US-Außenministeriums, erklärte, die Peschmerga müssten sich dem Kommando Bagdads unterordnen. Das Verteidigungsministerium der KRG teilte daraufhin mit, die Peschmerga seien Bagdad nicht untergeordnet. Im Juli gab es eine ähnliche Kontroverse. Davor gab es Streitigkeiten über den Ölhandel mit der Türkei sowie über das Budget.

In den 90ern gab es einen Bürgerkrieg zwischen den Parteien KDP und PUK. KDP bedeutet Demokratische Partei Kurdistans, PUK Patriotische Union Kurdistans. Die PKK war und ist mit der PUK verbündet. Die Türkei ging gegen die PKK vor, die das Land seit Jahrzehnten terrorisiert.

Nach dem Waffenstillstand, der 2013 vereinbart wurde, hat die PKK in der Türkei unzählige Gewalttaten und Terrorakte verübt. Die PKK verübte in den ersten sieben Monaten des Jahres 2015 insgesamt 1.083 Gewalttaten im städtischen und 832 im ländlichen Raum, darunter 47 nachgewiesene Brandstiftungen und 241 Angriffe mit Molotowcocktails im städtischen Raum. Die PKK hat die Verhandlungen mit ihr beendet, weil sie von den Bomben Russlands und der USA und dem globalen Chor ermutigt wurde.

Auch der Nordirak wird zunehmend vom Terror der PKK heimgesucht. Erst Anfang Oktober 2016 ermordete die PKK in Sinjar zwei Peschmerga.

Am 27. Oktober erklärte Nechirvan Barzani, Ministerpräsident der KRG, dass sie niemals zulassen werden, dass die PKK in Shingal ein zweites Lager wie in den Kandil-Bergen errichtet. Weder die PKK noch eine fremde Macht habe das Recht, über Shingal zu entscheiden. ISIS sei durch die Politik des Regimes entstanden. Wenn sie fortgeführt wird, werde morgen eine neue Terrororganisation entstehen. Man müsse eine Grundlage finden, damit alle religiösen und ethnischen Gruppen in Frieden leben können. Auch der Forscher Loay Mudhoon sagt, dass politische Beobachter davon ausgehen, dass eine Nachfolge-Organisation für den IS entstehen würde, wenn die sunnitische Bevölkerung weiterhin systematisch verfolgt wird. Der Forscher Dylan O’Driscoll erklärt, dass die Fehler, die zu der Entstehung von ISIS geführt haben, immer noch bestehen und nicht adressiert wurden. Sie hätten sich sogar verschlimmert. Die Befreiung Mossuls werde unter diesen Umständen lediglich dazu führen, dass der IS oder eine andere radikale Gruppe zurückkehrt.

Am 26. Oktober meldete sich Maliki und sagte in einem Interview mit Euronews, der kurdische Präsident Barzani arbeite mit den Feinden des Iraks zusammen, darunter USA, Israel und die Türkei. Dabei weiß er selber, dass er ohne die USA nicht sein Unwesen treiben kann, jedenfalls nicht mehr lange. Sein Kumpel Assad, ebenfalls ein übler Massenmörder, kann ohne die Hilfe Russlands nicht überleben. Auch Netanyahu und Avigdor Lieberman, Verteidigungsminister in Netanyahus Gruselkabinett, müssten ohne die Großmächte ganz kleine Brötchen backen. Ein weiterer im Bunde ist Abdel Fattah al-Sisi, Junta-Chef und Peiniger Ägyptens. Sisi ist ein Freund von Netanyahu, Assad und Maliki. Maliki machte es der KRG außerdem zum Vorwurf, dass sie es der Türkei erlaubt hat, nach Bashiqa zu kommen. Dabei wurden die Ausbilder auch vom irakischen Premierminister al-Abadi eingeladen. Verteidigungsminister al-Obeidi besuchte das Lager. Sowohl von der Einladung als auch vom Besuch gibt es Videoaufnahmen. Die KDP veröffentlichte anlässlich seiner Äußerungen eine Erklärung und verhöhnte Malikis Kabinett sowie seine Armee, die vor Daesh geflohen ist. Ebenso wurden Malikis Sektierertum und Korruption angesprochen.

Im Juli besuchte Maliki die Stadt Sulaymaniyah, um sich mit PUK und Goran zu treffen. Das Ziel ist offenbar, eine gemeinsame Front gegen die Regierungspartei KDP aufzubauen. Selbst PUK-Mitglied Mustafa Jawresh äußerte Rudaw gegenüber sein Unbehagen über Malikis Besuch, weil Maliki sehr unbeliebt ist.

Die KDP und islamische Gruppen äußerten sich gegen den Putschversuch in der Türkei, der in der Nacht vom 15. zum 16. Juli 2016 stattfand. PUK, Goran und die PKK wollen gemeinsam mit dem Iran und seinem verlängerten Arm in Bagdad die KDP stürzen. PUK und Goran organisieren immer wieder Proteste gegen die Regierungspartei. Goran hat sich 2009 von der PUK abgespalten. Am 17. Mai 2016 unterzeichneten PUK und Goran ein Abkommen über Zusammenarbeit. Im nordirakischen Parlament gibt es 111 Sitze, 38 davon belegt die KDP, Goran 24, PUK 18, die islamischen Parteien Yekgirtu und KIK zehn und sechs, andere vier. Elf Sitze sind für Minderheiten reserviert.

Im Juni 2015 warnte die jesidische Abgeordnete Vian Dakhil davor, dass einige christliche Hilfsorganisationen unter dem Vorwand der humanitären Hilfe aggressiv missionieren, um Jesiden zum Christentum zu konvertieren.

Im April 2015 wurde der Anführer der örtlichen Miliz HPŞ, die Jesiden rekrutiert, Heydar Shesho, von kurdischen Behörden festgenommen. Die Behörden hatten festgestellt, dass er Unterstützung von schiitischen Milizen erhält. Ihm wurde die Gründung einer illegalen Miliz vorgeworfen. Nachdem er zugestimmt hat, die Zusammenarbeit einzustellen, wurde Shesho freigelassen. Shesho ist deutscher Staatsbürger und Mitglied der PUK. Sowohl die kurdische Regierung als auch sehr viele Kurden sehen schiitische Milizen als Bedrohung.

Die Bildzeitung lässt anlässlich der kurzen Festnahme von Shesho den jesidischen Journalisten Hayri Demir zu Wort kommen, der behauptet, die Peschmerga hätten die Jesiden während der IS-Offensive im Stich gelassen, während YPG und HPŞ sie gerettet hätten. Demir: „Die kurdische Regierung tut momentan alles, um die Jesiden gegen sich aufzubringen. Erst lässt man uns im Stich, dann knüppelt man uns nieder und jetzt nimmt man den Mann fest, der für uns kämpft und unsere Verteidigungskraft führt.“ Siamend Hajo und Eva Savelsberg vom Europäischen Zentrum für Kurdische Studien sagen jedoch: "Tatsächlich hatten YPG-Kämpfer nicht mehr getan als – gemeinsam mit einer deutlich größeren Anzahl Peshmerga – den Geflohenen einen Korridor zu sichern und sie nach Syrien einreisen zu lassen. Zu direkten Kämpfen mit dem IS kam es nicht. Die Mär von den heldenhaften PYD-Kämpfern setzte sich in der öffentlichen Wahrnehmung durch."

Die Autonomiebestrebungen der PKK in Sinjar werden von Masud Barzani scharf verurteilt. Sheikh Shamo, jesidisches KDP-Mitglied und Abgeordneter, sagte in einer im Oktober 2015 veröffentlichten Erklärung, dass die PKK eine Besatzungsmacht ist. Im Oktober 2016 berichtete Shamo, dass die PKK unter dem Kommando von Hashd al-Shabi in Sinjar aktiv ist. Die KRG habe 2.400 Jesiden gerettet, 5.000 Menschen seien bislang nach Shingal zurückgekehrt, teilte er im April mit. Im Mai sagte er, viele jesidische Binnenflüchtlinge hätten Angst vor der Rückkehr, weil sie sich vor der Zwangsrekrutierung ihrer Kinder durch die PKK fürchten.

Im August 2016 wurde vermeldet, dass 45 Jesidinnen von der PKK entführt wurden. Veyis Naif, Vorsitzender des örtlichen Rates von Sinjar berichtete, die PKK habe seit Ende 2015 550 Jesiden gegen ihren Willen in die Kandil-Berge entführt, offenbar um sie unter Zwang zu rekrutieren. Die PKK-Terroristen hätten eine Reihe von öffentlichen Gebäuden besetzt, darunter sogar Schulen. Zwischen ISIS und der PKK bestehe kaum ein Unterschied.

Im Januar 2015 tauchten mehrere Berichte auf, aus denen hervorgeht, dass jesidische Milizen in arabischen Dörfern wie Buhanaya Zivilisten ermordet, Häuser niedergebrannt und die Bevölkerung terrorisiert haben. Ferner gab es Berichte, laut denen jesidische Milizen arabische Frauen entführt haben, um sie als Sexsklavinnen zu benutzen. In den Dörfern Jiri und Sibaya, die sich in der Region Sinjar befinden, wurden am 25. Januar 2015 21 sunnitische Dorfbewohner von jesidischen Milizen massakriert, über die Hälfte von ihnen waren Frauen und Kinder, alte oder behinderte Männer. Viele Dorfbewohner wurden verletzt, darunter auch drei Kinder. Die jesidischen Milizen haben zudem 40 Dorfbewohner entführt. 17 von ihnen werden immer noch vermisst.

Im Februar 2015 wurde berichtet, dass kurdische Peschmerga und Asayish-Mitglieder Araber daran hindern, zu ihren Häusern zurückzukehren. Insbesondere im nordirakischen Makhmur soll das der Fall gewesen sein.

Der arabische Stammesführer Abdul Satar al-Taha erklärte im Juli 2015, jesidische Milizen und die PKK hätten in den sieben Monaten davor 22 Dörfer niedergerissen und 10.000 Araber vertrieben. Sie hätten zudem landwirtschaftlich genutzte Flächen konfisziert. Ortsansässige sagten, dass Gebäude sowie ihre Ernte niedergebrannt wurden. Einwohner beschuldigten insbesondere den Milizenführer Ali Murad. Murad gestand dies dem Portal NIQASH gegenüber am Telefon ein und sagte, das sei Rache gewesen.

Im November 2015 erklärte ein Beamter in der Provinz Nineveh, dass jesidische Milizen, die von der PKK unterstützt wurden, Dörfer in al-Kolat, Ayashat and Um Neeniaa westlich von Sinjar niedergebrannt haben.

Ebenfalls im November wurden drei kurdische Schäfer von jesidischen Milizen ermordet, weil sie über ein Jahr lang unter ISIS gelebt haben. Die Milizen sahen die muslimischen Kurden als Verräter an. Ein 41-jähriger Kurde, der sich aus Anonymitätsgründen Sadiq Saleh nennt, erklärte, er sei in Qabusiya in der Nähe von Sinjar geblieben, um sich um seinen Viehbestand zu kümmern. Er habe indessen Informationen über ISIS an die Peschmerga geschickt. Als Sinjar befreit wurde, ist Sadiq mit seiner Herde geflohen. 14 weitere Männer waren dabei, zusammen mit etwa 4.000 Schafen. Sie wurden dabei von jesidischen Milizen angehalten. Die drei Männer wurden ermordet, als die Milizen das Feuer eröffneten. Einige Tage später wurde Sadiq erneut von jesidischen Milizen angehalten. Diesmal wurden er und weitere Schäfer von den Zeravani begleitet. Die Zeravani sind militarisierte Polizeikräfte der KRG und Teil der Peschmerga-Verbände. Drei Milizen wurden dabei getötet. Leutnant Khero Khider berichtet, dass 600 sunnitische Kurden unter dem Schutz der Peschmerga die Frontlinie überquert haben. Er bestätigte die Ermordung der drei Schäfer sowie die Tötung von drei Milizen. Der jesidische Peschmergaoberst Jidaan Darush Jadan sagte, dass sie nicht erlauben werden, dass Araber nach Sinjar zurückkehren. Sie seien Verräter.

Auch zwischen den Kräften von Erbil und Bagdad kommt es immer wieder zu Spannungen.

Im November 2015 wurden in Tuz Khurmatu bis zu 20 Menschen bei Kämpfen getötet. Beide Seiten zündeten über 200 Häuser und Geschäfte an. Es wurde über Entführungen berichtet. Tuz Khurmatu ist eine multiethnische Stadt 80 km südlich von Kirkuk. Im April 2016 kamen zwei Peschmerga und acht Hashd-al-Shabi-Milizen bei Zusammenstößen ums Leben. Bereits im März kam es zu Kämpfen. Im September erklärte der Hashd-al-Shabi-Sprecher Karim Nuri, Peschmerga sollten Mossul nicht betreten.

Die Stadt Jalawla neben dem Fluss Diyala hatte im Jahr 2014 83.000 Einwohner. 80 Prozent davon waren sunnitische Araber. Peschmerga-General Mahmoud Sangawi erklärte im Juli 2015, sie sei nun eine kurdische Stadt. Im Dezember 2015 war Jalawla eine Geisterstadt, nachdem sie von kurdischen Peschmerga und schiitischen Milizen umkämpft wurde, welche die Stadt für sich beanspruchten. Mittlerweile sollen immerhin laut Berichten Tausende Familien zurückgekehrt sein.

Auf einigen kurdischen Karten führen die Grenzen bis zu den Hamrin-Bergen und schließen einen großen Teil von Nineveh ein. Polat Jangi von der KRG erklärte im März 2016, nach Eroberung von Städten wie Hawija und Mossul werde es Probleme zwischen Bagdad und Erbil wegen des Disputs um Gebiete wie Kirkuk und Sinjar geben. Hiwa Afandi, Leiter des kurdischen Amts für Informationstechnologie, sagte im April, die Hashd-al-Shabi-Milizen seien sogar eine größere Gefahr als ISIS.

Drohungen der schiitischen Extremisten im Vorfeld der Offensive

Der damalige irakische Verteidigungsminister Khalid al-Obaidi sowie schiitische Hashd-al-Shabi-Milizen bedrohten Ende Juli 2016 den Nordirak, damit die Peschmerga die überwiegend sunnitische Stadt Mossul nicht betreten.

Abu Mahdi Al-Muhandis, mit bürgerlichem Namen Jamal Jaafar Ibrahimi, ist stellvertretender Chef der Hashd-al-Shabi-Milizen. Er befindet sich angeblich noch auf der Terrorliste der USA. Ibrahimi sagte Anfang Oktober 2016, man werde die türkischen Soldaten als Besatzungsmacht behandeln.

Der irakische Ayatollah Qasim al-Tai hat Anfang Oktober 2016 eine Fatwa erlassen, in der er behauptet, es sei eine religiöse Pflicht, gegen die türkischen Ausbilder zu kämpfen. Die kurdische Regierung (KRG) in Erbil erklärte hingegen, sie hätten die türkischen Truppen angefordert und ihre Stationierung sei mit Zustimmung Bagdads erfolgt.

Mitte Oktober 2016 erklärte Qais al-Khazali, Anführer der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq, auch bekannt als Khazali-Netzwerk, die zu Hashd al-Shabi gehört, die Operation in Mossul wäre Rache an denen, die Hadhrat Hussain getötet haben und deren Enkeln. Damit meint er offenbar die sunnitische Bevölkerung.

Auf dem Twitteraccount @teamcorr wurden Mitte Oktober 2016 Pläne veröffentlicht, welche das geplante Vorgehen schiitischer Milizen gegen Zivilisten in Mossul zeigen sollen, das unter dem Vorwand von ISIS stattfinden wird. Das Benutzerkonto wurde kurze Zeit später gesperrt.

Ebenfalls Mitte Oktober bedrohte der Kriegsverbrecher Ayyoub Faleh al-Rubaie, auch bekannt als Abu Azrael, die türkischen Soldaten im Irak. Er bezeichnete sie als Ratten und sagte, man werde sie alle töten. Im vergangenen Jahr tauchte ein Video auf, in dem zu sehen ist, wie Rubaie mit einem Schwert einem Mann Fleischstücke abschneidet, nachdem dieser lebendig verbrannt wurde.

Die schiitischen Extremisten wurden im Irak von den USA an die Macht gebracht. Die meisten Bodentruppen, die für Assad kämpfen, stammen mittlerweile nicht mehr aus Syrien. Der Iran bringt sie aus dem Iran, Irak, Libanon, Afghanistan und Pakistan. Viele stammen aus dem Irak.

Um zu sehen, was Assad macht, braucht man nur mal auf Youtube nach Assad barrel bombs oder Assad torture zu suchen. Es gibt Zehntausende Videos. Die Türkei war bis September 2011 für eine Lösung mit Assad, bis Juli 2012 für eine Übergangslösung mit Assad. Sowohl die USA als auch die NATO haben von Anfang an gesagt, dass sie Assad nicht stürzen wollen, siehe etwa die Erklärungen von Dempsey, Rasmussen oder Stoltenberg. Die USA haben in Syrien Gruppen wie SRF und die Hazzm-Bewegung unterstützt, die gegen "islamistische" Gruppen gekämpft haben. Später unterstützten USA und Russland die PYD und die von ihr angeführten SDF.

Einige der Gräuel nach 2003

Saddams Umfeld bestand aus seiner Tikrit-Klientel. Wichtige Posten wie Ministerpräsident, Generalstabschef, Polizeichef, Minister, Diplomaten, Parteifunktionäre wurden jedoch überwiegend von Schiiten, aber auch Christen oder Kurden belegt. Die Debaathifizierung ab 2003 betraf nur Sunniten.

Haider al-Abadis Vorgänger Nuri al-Maliki war von April 2006 bis August 2014 irakischer Ministerpräsident. Maliki installierte er in den oberen Rängen des Militärs und der Geheimdienste fast ausschließlich Schiiten. Ihm persönlich waren Todesschwadronen unterstellt und unterlagen keinerlei gesetzlicher Kontrolle. Den Opfern wurden etwa mit Bohrmaschinen Löcher in den Schädel gebohrt oder sie wurden verstümmelt. Opfer sagten aus, dass sie mit Kabeln geschlagen wurden, ihnen Elektroschocks zugefügt und Zigaretten in ihrem Gesicht ausgedrückt wurden.

Nach Saddams Sturz wurden Sunniten aus den Gebieten vertrieben, die mehrheitlich von Schiiten bewohnt waren. Videos auf Youtube dokumentieren Enthauptungen, Massengräber und verscharrte Leichen sunnitischer Araber. Über Gräueltaten, die von schiitischen Milizen begangen werden, wurde selten berichtet.

Auch die offiziellen Regierungstruppen foltern und misshandeln verhaftete sunnitische Männer. Die Opfer werden unter Anwendung des irakischen Antiterrorgesetzes festgenommen, das 2005 erlassen und seitdem gegen Sunniten angewandt wurde. Kritiker Malikis wurden unter Folter zu Geständnissen gezwungen und im Rahmen des Anti-Terrorismus- oder des Entbaathifizierungsgesetzes hingerichtet.

Im November 2005 wurden in einer Haftanstalt im Stadtteil Jadiriya von Bagdad 168 Gefangene aufgefunden, die sich im entsetzlichen Zustand befanden. Laut UNAMI hatten 101 von ihnen Wunden, die aus Schlägen, Stichen oder Elektroschocks resultierten. Überlebende schilderten, dass einige Mithäftlinge zu Tode gefoltert wurden oder an den Folgen von Folter gestorben sind. Die irakische Regierung verkündete, sie werde eine Untersuchung einleiten. Es wurden keine Untersuchungsergebnisse veröffentlicht. Keiner der Täter wurde strafrechtlich verfolgt. Im Juni 2009 hatte irakische die Regierung erneut versprochen, Untersuchungen wegen Folter in Gefängnissen in Diwaniya und Amara einzuleiten. Bislang offenbar ohne Ergebnis.

Der frühere Direktor des Menschenrechtsbüros bei der UN-Vertretung im Irak, John Pace, erklärte im Februar 2006, dass drei Viertel der Leichen in der Leichenhalle der Stadt Schusswunden im Kopf oder Verletzungen aufwiesen, die durch Bohrmaschinen oder brennende Zigaretten verursacht wurden. Pace gab bekannt, dass jeden Monat alleine in Bagdad Hunderte Iraker von Todesschwadronen, die für das Innenministerium arbeiten, zu Tode gefoltert oder außergerichtlich hingerichtet wurden. Im Juli davor habe die Leichenhalle Bagdads 1.100 Leichen erhalten, etwa 900 davon hätten Spuren von Folter oder Tötung. Im Dezember sei die Zahl der Leichen immerhin auf etwa 780 gesunken.

Im März 2006 wurde die 14-jährige Abeer Qasim Hamza al-Janabi in Mahmudiya von fünf amerikanischen Soldaten vergewaltigt. Während zwei Soldaten sie vergewaltigten, ermordete Steven Green ihre Eltern und die jüngere Schwester. Danach hat er sich an ihr vergangen und sie anschließend mit einem Schuss in den Kopf getötet. Die Täter setzten die Leiche in Brand, wodurch das Haus Feuer fing. Die Täter haben zunächst behauptet, die Tat sei von sunnitischen Aufständischen begangen worden. Die Familie war sunnitisch, Mahmudiya gehört zum sunnitischen Gürtel südlich von Bagdad. Green erklärte später, er habe Iraker nicht als Menschen gesehen.

Etwa in einem Bericht vom 25. Mai 2006 heißt es, ein Iraker sei in Baquba der Provinz Diyala von irakischen Soldaten in seinem Haus festgenommen und dann monatelang in einem unterirdischen Bunker gefangengehalten worden. Dort wurde er von Angehörigen der irakischen Armee gefoltert. Er wurde mit zusammengebundenen Händen an die Decke gehängt, mit einem Rohr hat man ihm auf den Rücken und die Beine geschlagen, außerdem verletzten seine Folterer seine Beine mit einer Bohrmaschine.

Im November 2006 wurde berichtet, dass schiitische Milizen sechs Sunniten in Bagdad nach dem Freitagsgebet entführt, mit Kerosin übergossen und lebendig verbrannt haben. Mindestens 19 weitere Sunniten wurden am gleichen Tag im Stadtteil Horaya im Nordwesten Bagdads ermordet, darunter auch Frauen und Kinder, sagte Polizeihauptkommissar Jamil Hussein. Die Vereinigung der muslimischen Gelehrten im Irak (AMSI) sagte, dass mehr Menschen bei Angriffen auf vier Moscheen im Feuer ums Leben gekommen sind. In der al-Muhaimin-Moschee seien insgesamt 18 Menschen verbrannt worden.

Die damals 20-jährige Sunnitin Sabreen al-Janabi wurde im Februar 2007 auf einer Wache von schiitischen Polizisten geschlagen und vergewaltigt. Sie ging damit ins Fernsehen. Malikis Sprecher haben alles abgestritten.

Generalmajor Abd al-Jalil Khalaf, der im Juni 2007 als Polizeichef nach Basra versetzt wurde, sagte in einem Interview im Jahr 2010, er habe Leichen von Frauen irgendwo zwischen 14 und 60 Jahren gesehen, die gefoltert wurden, bevor man sie ermordet hat. Manchmal habe man ihnen die Zähne rausgerissen oder die Augen ausgestochen. Die Leichen seien mit Blutergüssen übersät gewesen. Einigen habe man die Brüste abgeschnitten, Arme abgetrennt oder die Haare abrasiert. Keine der Familien sei gekommen, um die Überreste abzuholen. Die Polizei habe nicht nur die Vorfälle nicht untersucht, sondern sei in die Verbrechen verwickelt. Es sei unmöglich, sie aufzuklären, weil Milizen den Sicherheitsapparat unterwandert hätten. Die schlimmsten Täter habe man zwar versetzt oder aus der Polizei entlassen, keiner von ihnen sei jedoch jemals vor Gericht gebracht worden.

Im April 2010 berichtete LA Times über ein Geheimgefängnis, das aufgeflogen ist. Es wurde von den Bagdad-Brigaden betrieben, einer Spezialeinheit, die direkt Maliki untersteht. Im Kerker auf dem Gelände des alten Muthanna-Flughafens in Bagdad waren 431 Gefangene in einem entsetzlichen Zustand gefunden worden. Ein Viertel von ihnen wies Spuren schwerer Folter auf. Einer war im Januar an den Folgen von Folter gestorben. Die Männer wurden im Oktober 2009 in der Provinz Niniveh, rund um Mossul gefangengenommen. Unter dem Vorwand von al-Qaida wurden Beamte, Unternehmer, Professoren und andere angesehene Persönlichkeiten verschleppt.

Etwa die 60-jährige Umm Sattar hat nach der Veröffentlichung der Medienberichte über die geheime Haftanstalt zwei ihrer drei Söhne wiedergefunden, die in Mossul bei einer nächtlichen Razzia im Oktober des vergangenen Jahres festgenommen worden waren. Einer von ihnen ist Anwalt. Er wurde in dem Gefängnis nach eigenen Angaben vergewaltigt. Sein älterer Bruder, ein Zahnarzt, soll drei Tage lang mit Elektroschocks gequält worden sein. "Warum müssen unsere Söhne diese Art von Behandlung erdulden, ist es weil Mossul eine sunnitische Stadt ist oder weil wir uns nicht erniedrigen lassen?", fragt Umm Sattar.

Im Oktober 2010 wurden Dokumente zum Irakkrieg veröffentlicht, die den Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2004 und dem 31. Dezember 2009 umfassen. Mehr als 66.000 Zivilisten wurden demnach in diesem Zeitraum getötet. In 1764 Berichten kommt der Begriff "Folter" ausdrücklich vor, dazu kommt eine Vielzahl von Dokumenten, in denen es um die Misshandlung von Gefangenen geht, ohne dies direkt als Folter zu bezeichnen. Häftlinge sind geschlagen, versengt und ausgepeitscht worden. In anderen Berichten ist von Misshandlungen mit Metallrohren, Holzstangen und Strom die Rede. An Gefangenen seien Brandwunden, Knochenbrüche und Blutergüsse festgestellt worden. Nachdem etwa ein irakisches Polizeikommando den Selbstmord eines Gefangenen zu Protokoll gegeben hatte, brachte eine Autopsie unter US-Aufsicht ans Licht, dass der Häftling Quetschungen und Verbrennungen am Körper hatte, wie auch sichtbare Verletzungen am Kopf, Arm, Oberkörper, Beinen und Hals. Hunderte Zivilisten wurden an den Checkpoints der US-Armee getötet. Es sind auch neuere Fälle dokumentiert, in denen Mitarbeiter der privaten Sicherheitsfirma Blackwater (später umbenannt in Xe, inzwischen Academi) Zivilisten töteten.

Im Oktober 2012 berichteten Menschenrechtler über die Zustände im Frauengefängnis in Bagdads Stadtteil al-Rasafa. Frauen wurden u. a. mit Schlägen und Stromstößen gefoltert, sexuell missbraucht und dabei verhört. Einige hatten Hautkrankheiten. Mitglieder der Menschenrechtskommission des Parlaments, die vorher das Gefängnis besucht hatten, das sich damals im Vorort al-Kadhimiya befand, erzählten Reportern im Mai 2009, wie zwei inhaftierte Frauen ihnen gegenüber bezeugt haben, dass sie nach ihrer Festnahme immer wieder vergewaltigt wurden.

Die 41-jährige Journalistin Sabah Hassan Hussein wurde im Februar 2012 inhaftiert, als sie sich in die Büros der Fünften Brigade in Bagdads Stadtteil Saydiya begeben hatte, um das von den Behörden beschlagnahmte Auto abzuholen, das einem ihrer Verwandten gehörte. Man sagte ihr, dass sie unter Mordverdacht steht und brachte sie zum Direktorat für Kapitalverbrechen in Tikrit. Sie verbringt zwei Monate in Isolationshaft und wird mit brennenden Zigaretten und kaltem Wasser gequält, sexuell gedemütigt. Immer wieder verlangt man von ihr ein Geständnis. Hussein wurde erst im Februar 2013 aus der Haft entlassen - ein Jahr nach ihrer Festnahme. Eine Mitgefangene, der die Sicherheitskräfte Beteiligung an dem Mord anlasteten, wurde zum Tode verurteilt.

Die Inhaftierten erwarten Prügel, Elektroschocks und sexuelle Übergriffe bis zur Vergewaltigungen. Immer wieder werden Ehefrauen, Mütter und Töchter von Gesuchten in Haft genommen, ohne dass ein Verdacht gegen sie besteht. Ein solcher Fall ereignete sich Ende 2012 in al-Taji, nördlich von Bagdad. Zehn Frauen und zwei Mädchen im Alter von elf bis 60 Jahren wurden vier Tage lang misshandelt. Sie wurden geschlagen, mit Elektroschocks gefoltert und ihnen wurde mit Plastikbeuteln über dem Kopf die Sauerstoffzufuhr abgeschnitten. Die Sicherheitskräfte vermuteten angeblich ihre Verwandten hinter Terroranschlägen.

Eine irakische Frau berichtete im März 2013, sie sei im Gefängnis, in dem sie die letzten vier Jahre ihres Lebens verbrachte, immer wieder gefoltert und vergewaltigt worden. Man habe sie getreten, geschlagen, beleidigt und angespuckt. Eine andere Frau erzählte, ihr Neffe sei mit 18 inhaftiert und ebenfalls nach vier Jahren entlassen worden. Man habe ihn mit Metallstangen geschlagen, gefragt, warum "sein Gott" ihm nicht hilft, da er sunnitisch ist, verschiedene Teile seines Körpers mit Strom verbrannt. Er sei im Winter gezwungen worden, nackt auf dem Hof zu warten. Zehn Tage nach seiner Entlassung wurde er erneut inhaftiert. Während er kurze Zeit in Freiheit war, hat er seiner Tante erzählt, wie er und die Mitgefangenen misshandelt wurden. Im Sommer mussten sie barfüßig auf dem heißen Gehsteig warten und haben kein Wasser bekommen, bis sie in Ohnmacht gefallen sind. Einigen hat man die Knochen gebrochen oder die Gesichter mit einem Messer verschandelt und anschließend zu den anderen Häftlingen geschickt, damit sie sehen, was sie erwartet. Man wollte ihn dazu zwingen, unter Folter ein falsches Geständnis abzulegen. Nachdem viele Mithäftlinge zu Tode gefoltert wurden, hat er erzählt, was die Peiniger hören wollten. Durch die Torturen hat er ein Auge verloren.

Yousef Abdul Rahman wurde 2011 inhaftiert und verbrachte vier Monate im Gefängnis. Er wurde mit kalten Wasser übergossen und mit Stromstößen gefoltert. Viele seiner Mithäftlinge wurden mit Stäben und Flaschen vergewaltigt. Der 43-jährige Taxifahrer Ahmed Hassan wurde im Dezember 2008 im Bagdads Stadtteil Adhamiyah festgenommen. Ihm wurden die Fingernägel gezogen. Er wurde gezwungen, große Mengen Wasser zu trinken, anschließend hat man ihm den Penis abgebunden, damit er nicht urinieren kann. Sheikh Khaled Hamoud Al-Jumaili, ein Anführer der Demonstrationen in Fallujah gegen Maliki im Jahr 2013, erzählte, dass Tausende aus Fallujah inhaftiert seien. Man wisse nicht einmal, ob sie noch leben. Ein anderer Sheikh aus Fallujah sagte, er sei 2012 inhaftiert und im Khadamiyah-Gefängnis in Bagdad gefoltert worden. Er zeigte dann die Narben auf seinem Rücken. Man habe ihn mit Stangen und mit der Faust geschlagen, hungern lassen, angespuckt, kopfüber an den Knöcheln und dann an den Handgelenken aufgehängt.

Drei von den Söhnen der 60-jährigen Saadiya Naif wurden hingerichtet, zwei von den Amerikanern, einer im Jahr 2008 vom Regime. Ihr Sohn Baker sei 19 gewesen, als er hingerichtet wurde, erzählt sie unter Tränen. Davor habe man ihn anderthalb Jahre in Haft gehalten. Sie habe versucht, Anwälte einzuschalten, die dann Morddrohungen erhalten haben. Am Tag vor seiner Hinrichtung habe Baker sie angerufen und sich von ihr verabschiedet. Zwischen 2005 und März 2013 wurden mindestens 3.000 Todesstrafen verhängt und mindestens 447 vollstreckt.

Im März 2013 gab es in Fallujah seit drei Monaten jeden Freitag Proteste. Hunderttausende demonstrierten und beteten an der Hauptverkehrsstraße, die Bagdad und Amman miteinander verbindet. Die Menschen in Fallujah, aber auch im Rest der irakischen Provinz Anbar waren wütend auf Maliki. Seine Sicherheitskräfte, die zu einem großen Teil aus diversen schiitischen Milizen bestehen, hätten Sunniten in Anbar und in vielen Teilen Bagdads entführt und getötet. Protestführer Khaled Hamoud Al-Jumaili erzählte gegenüber Al Jazeera: "Wir fordern, dass die Checkpoints um Fallujah abgeschafft werden, wir wollen, dass sie Pressemitarbeiter reinlassen, wir fordern ein Ende der unrechtmäßigen Hausdurchsuchungen und Verhaftungen, ein Ende ihrer Schergen und Geheimgefängnisse. Wir werden diese Proteste nicht beenden." Als er daraufhin gefragt wurde, was sie tun werden, wenn man nicht auf ihre Forderungen eingeht, entgegnete Jumaili, dass es vielleicht einen bewaffneten Widerstand geben wird. Laut Angaben des Innenministeriums saßen damals 30.000 Häftlinge in Internierungsanstalten. Andere Quellen sprachen von 50.000. Niemand kannte die genaue Zahl.

Am 1. September 2013 töteten Mitglieder der Iranischen Revolutionsgarde und der Milizen Kata'ib Hezbollah und Asaib Ahl al-Haq im irakischen Flüchtlingscamp Ashraf 52 iranische Oppositionelle. Hunderte sollen verletzt worden sein.

Der Bericht Absolute impunity: Militia rule in Iraq von AI, der Oktober 2014 veröffentlicht wurde, bestätigt, dass schiitische Milizen, die vom irakischen Regime und vom Iran ausgerüstet und trainiert werden, um Bagdad, Samarra, Kirkuk und anderswo im Irak ethnische Säuberungen durchführen. Ebenfalls im Oktober hat man in Mahaweel ein Massengrab mit 100 toten Zivilisten gefunden. In der Nähe wurden noch Dutzende weitere Leichen gefunden. Im gleichen Monat wurde ein UN-Bericht veröffentlicht, der bestätigte, dass die irakische Regierung Unschuldige foltern und hinrichten lässt. Häufig werden Geständnisse unter Folter erzwungen.

Bei Razzien, welche die schiitischen Milizen in überwiegend sunnitischen Wohnbezirken durchführen, werden massenhaft junge Männer entführt. Etwa am 6. Juni 2014 wurden in einem Wohnbezirk im Osten von Samarra 37 Männer festgenommen und außergerichtlich hingerichtet. Die Milizen entführten Menschen bei Straßenkontrollen oder bei Razzien an Arbeitsplätzen oder in Wohnungen. In zahlreichen Fällen erpressten die Entführer Lösegelder von bis zu 80.000 US-Dollar für die Freilassung, töteten die Opfer jedoch trotzdem, obwohl die Angehörigen das Geld gezahlt hatten.

Laut der Website Iraq Oil Report haben schiitische Milizen in der Stadt Tuz Khurmatu, die etwa 55 Meilen südlich von Kirkuk liegt, viele Sunniten ermordet und andere aus ihren Häusern vertrieben. Schiitische Milizen plünderten und brannten Häuser ab, die geflohenen sunnitischen Familien gehören, damit diese nicht zurückkehren. In einigen Fällen wurde eine Bombe vor die Tür gelegt. Zuvor von Sunniten bewohnte Gebiete wurden in Geisterstädte verwandelt.

Ähnlich erging es der überwiegend sunnitischen Stadt Latifiya in der Nähe von Bagdad. Laut HRW ist die Einwohnerzahl nach einer Belagerung durch schiitische Milizen von 250.000 auf 50.000 Personen gesunken. Sie führten Hunderte Massenhinrichtungen durch. Einwohner berichteten, dass in vielen Gebieten die meisten Männer entweder getötet wurden oder geflohen sind.

Im Juni 2014 wurden 255 sunnitische Häftlinge von irakischen Soldaten und schiitischen Milizen hingerichtet. Am 13. Juni wurden in Tikrit eine Klinik der Ärzte ohne Grenzen und am 27. Juni das größte Krankenhaus der Stadt bombardiert. Auch in den folgenden Tagen wurde das Krankenhaus in Tikrit, in dem zuvor etwa 5.000 Patienten pro Monat behandelt wurden sowie das zweite Krankenhaus der Stadt erneut bombardiert. Am 20. Juli wurde das Krankenhaus in Shirqat bombardiert. Am 6. September 2014 bombardierte die irakische Luftwaffe ein Krankenhaus in Hawija. Dabei wurden 18 Menschen getötet, acht davon waren Säuglinge. 16 Frauen und Kinder wurden verletzt.

In einem Bericht über Menschenrechtsverletzungen im Irak im Sommer 2014 hielt die Uno-Menschenrechtsbehörde über die schiitischen Milizen fest: "Diese Kräfte haben außergerichtliche Hinrichtungen, Folter, Entführungen und Vertreibungen von einer großen Anzahl von Menschen begangen - und dies straffrei."

In der Kleinstadt Amerli südlich von Kirkuk brannten Milizen im September und Oktober 2014 die Häuser von geflohenen sunnitischen Zivilisten nieder und raubten ihren Besitz. Sie verwüsteten mindestens 47 mehrheitlich sunnitische Dörfer. Im August überfielen Bewaffnete in einem Dorf in der Provinz Diyala eine sunnitische Moschee und erschossen mindestens 68 Betende.

Ein 21-jähriger schiitischer Turkmene aus dem Dorf Yengija wurde im Oktober von schiitischen Milizen mit brennenden Zigaretten gefoltert und an die Decke angebunden. Man habe ihm immer wieder vorgeworfen, IS-Mitglied zu sein. Er sei mit Wasserrohren und Schulterstützen von Gewehren ins Gesicht, auf den Kopf und auf die Schultern geschlagen worden. Er musste beweisen, dass er schiitisch ist, indem er betet. Nach neun Tagen wurde er freigelassen.

Ab Juni 2014 mussten Tausende Sunniten aus dem Gebiet Muqdadiya fliehen, das sich 80 km nordöstlich von Bagdad befindet. Als sie im Oktober begannen zurückzukehren, fanden sie verbrannte Häuser. Die Milizen entführten viele Einwohner, sie feuerten wahllos Salven in Straßen, Häuser und in die Luft ab, um die Rückkehrer zu vertreiben. Ende Dezember bedrohte Hadi al-Ameri, Befehlshaber der Badr-Brigaden sowie Verkehrsminister unter Maliki, die Einwohner von Muqdadiya mit den Worten, der jüngste Tag komme bald. Im Januar 2015 fielen 72 sunnitische Zivilisten in Barwana, einem Dorf in der Nähe, einem Massaker zum Opfer.

Eine Diplomatendepesche von 2009 hält über Ameri fest: "Eine seiner bevorzugten Methoden des Tötens soll es sein, mit einer Bohrmaschine die Schädel seiner Gegner anzubohren." Ameri soll die Ermordung von Tausenden sunnitischen Zivilisten angeordnet haben.

Am 22. August 2014 haben schiitische Milizen 73 Sunniten während des Freitagsgebets in der Musab-bin-Umair-Moschee in der Provinz Diyala mit Sturm- und Maschinengewehren erschossen und Dutzende verwundet.

Das Massaker in der Musab-bin-Umair-Moschee (August 2014), der Angriff auf das Krankenhaus von Hawija (2014), Fallujah (Januar 2013), Ramadi (Dezember 2013), Hawija (2013), Saria, Baquba (2013), Zarqa (2007), Ishaqi (2006), Haditha (2005), Jurf Al Sakhar (2004) und Fallujah (April und November 2004) sind nur einige der Massaker seit 2003.

Im September 2014 haben Milizen ein Haus in Jurf al-Sakhar gestürmt und eine 20-jährige Frau vergewaltigt, nachdem sie 18 Männer in der Nähe entführt hatten. Das Opfer war Mutter von zwei Kindern. Jurf al-Sakhar gehört zum Gouvernement Babil. Davor wurden sechs Frauen in Babil entführt, vergewaltigt und anschließend ermordet. Ihre Leichen wurden am Straßenrand entsorgt. Das Gebiet wurde vorher von den Milizen Saraya al-Salam, Asa'ib Ahl al-Haq und Badr abgeriegelt. Ortsansässige erklärten, dass sie befürchten, man wolle viele Familien und Stämme aus der Region vertreiben, nachdem bewaffnete Milizen ihre Häuser geplündert und niedergebrannt haben.

Im Großraum von Bagdad haben die Milizen in den Monaten bis Februar 2015 Zehntausende Sunniten vertrieben. Als sie die Kleinstadt Jurf al-Sakher südlich von Bagdad eroberten, nahmen sie Dutzende von Männern fest. Einige der Leichen fand man später mit gefesselten Händen. Berichte über die Ermordung von Zivilisten gibt es auch aus der Umgebung von Samarra, Bagdad und auch im sunnitischen Anbar im Westen Iraks.

AI veröffentlichte am 18. Oktober 2016 einen Bericht, der auf Interviews mit über 470 ehemaligen Häftlingen, Zeugen, Angehörigen (von Opfern), Beamte, Aktivisten, humanitären Helfern und anderen basiert. Es wird über Massenentführungen, Morde und Folter berichtet.

In einem Fall wurden mindestens zwölf Männer und vier Knaben bzw. Kinder vom Jumaila-Stamm, die aus al-Sijir nördlich von Fallujah geflohen waren, außergerichtlich hingerichtet, nachdem sie sich am 30. Mai in die Hände von Soldaten und Polizisten begeben hatten. Männer und ältere männliche Jugendliche seien in einer Reihe aufgestellt und erschossen worden. Mindestens 73 andere Männer und Knaben vom Stamm Jumaila werden noch vermisst.

Ein Video, das am 23. Mai hochgeladen wurde, zeigt einen schiitischen Anführer in einem Raum voller Milizen, der sagt, Fallujah sei seit 2004 eine Bastion des Terrorismus gewesen und es gebe in der Stadt keine Zivilisten oder wahren Muslime mehr. Ende Mai tauchten schon neue Gräuelvideos auf. In einem Video ist ein Berg von Leichen mit 16 abgetrennten Köpfen zu sehen, die ein Anführer zählt, der ebenfalls in den Aufnahmen zu sehen ist.

Auch Männer und Jugendliche vom Stamm Mehemda, die aus Saqlawiya geflohen waren, einer anderen Ortschaft nördlich von Fallujah, wurden von Milizen entführt, gefoltert und ermordet. Am 3. Juni 2016 wurden etwa 1.300 Männer und Jugendliche entführt. Drei Tage später wurden mehr als 600 von ihnen örtlichen Beamten in Anbar übergeben und hatten Spuren von Folterungen. Ein Überlebender erzählte, dass 17 seiner Verwandten noch vermisst werden, darunter auch sein 17-jähriger Neffe. Einer sei in Folge von Folter ums Leben gekommen. Sie seien mit Metallstangen, Schaufeln und Kabeln geschlagen worden. Er habe zwei Menschen vor seinen Augen sterben sehen.

Ein 32-jähriger Mann, einer von sechs Überlebenden, die von Reuters interviewt wurden, sagte, dass sie mit gefesselten Händen hinter dem Rücken in einen Raum mit Dutzenden anderen Gefangenen gebracht und mit Fäusten, Messern und Kabeln geschlagen wurden. In einem Video, das von örtlichen Beamten aufgezeichnet wurde, berichtet ein Überlebender, dass man Gefangenen Flaschen gegeben hat, damit sie ihren Urin trinken, als sie nach Wasser fragten. Einer 47-jähriger Mann berichtet, wie Milizen seinen Sohn mehrfach geschlagen und 15 Leichen weggebracht haben, die anscheinend zu Tode geprügelt wurden. Sein Sohn wird seitdem vermisst.

Das geht aus den Aussagen von Überlebenden und Zeugen hervor, die UN-Mitarbeitern, irakischen Beamten, Reuters, AI und HRW vorliegen. Über 5.000 Sunniten haben Saqlawiya verlassen, eine Gemeinde fünf Meilen nordwestlich von Fallujah, die von Landwirtschaft lebt.    

Eine örtliche Untersuchungskommission, die vom Gouverneur Anbars aufgestellt wurde, hat festgestellt, dass 49 der in Saqlawiya Entführten ermordet wurden - erschossen, zu Tode gefoltert oder lebendig verbrannt. 643 weitere Entführungsopfer werden noch vermisst. Der Sonderbeauftragte für die Internationale Allianz gegen den IS, Brett McGurk, sprach am 10. Juni von Einzelfällen. Drei Tage zuvor hatte der Gouverneur der Provinz Anbar, Sohaib al-Rawi, den US-Botschafter darüber in Kenntnis gesetzt, dass Hunderte Männer vermisst werden, die zuvor von schiitischen Milizen entführt wurden.

Alle Männer zwischen 15 und 65, die aus IS-kontrollierten Gebieten fliehen, werden von irakischen oder kurdischen Behörden verhört. Die Prozedur ist jedoch intransparent und nicht nachvollziehbar. Während einige nach Tagen in die Freiheit entlassen werden, werden andere an Sicherheitskräfte übergeben und anschließend wochen- oder sogar monatelang inhaftiert, ohne Kontakt zu ihren Familien oder der Außenwelt zu haben. Es wird auch über Folter und Misshandlungen durch kurdische Sicherheitskräfte oder Geheimdienstler (Asayîş) berichtet.

In einem Video werden zum Beispiel das Gesicht und der Bart eines sunnitischen Mannes mit einem Feuerzeug verbrannt. Anschließend wird er gezwungen, eine Brühe zu trinken, die offenbar aus Urin und Kot besteht. Während die Weltöffentlichkeit diese Videos nicht kennt, gibt es Subjekte, die sie abklappern und in etwa mit "Allah Snackbar" oder "der Islam ist böse, das ist der Beweis" kommentieren, obwohl sie die Täter unterstützen. Sehr beliebt ist mittlerweile die Behauptung, das Opfer sei ein IS-Mitglied. Wenn sich da einfach nur "Muslime gegenseitig abschlachten" würden, wie oft behauptet wird, um den Opfern die Schuld zu geben, würde man wohl nicht die Täter unterstützen und die Opfer töten.

In einem anderen Video ist zu sehen, wie sunnitische Zivilisten verhört und mit Schüssen hingerichtet werden. In einem weiteren Video prügeln sie mit Metallrohren, einem Gewehr und weiteren Gegenständen, die ich nicht näher identifizieren konnte, auf einen Mann ein, der auf dem Boden liegt und rufen dabei "Labbayk ya Zainab!"

Die politische Entwicklung

Lange vor der ISIS-Offensive im Sommer 2014 hatte die willkürliche Anwendung des Antiterrorgesetzes zu Massenprotesten und später zu bewaffnetem Widerstand innerhalb der sunnitischen Bevölkerung geführt.

Etwa die Operation Phantom Fury im November 2004 zerstörte fast die ganze Stadt Fallujah. Die Stadt wurde vom Militär zum uneingeschränkten Beschuss freigegeben. 65 % der Häuser wurden zerbombt und der verbliebene Wohnraum stark beschädigt. Die Hälfte der 120 Moscheen der Stadt wurde zerstört oder beschädigt. Von den 350.000 Menschen, die zuvor in der Stadt lebten, waren 25.000–30.000 in der Stadt geblieben oder kurz nach den Kämpfen zurückgekehrt. Die irakischen Einheiten spielten bei der Operation nur eine untergeordnete Rolle.

Anfang 2005 hat man dann beschlossen, schitische Milizen aufzubauen, damit sie Aufständische bekämpfen. Donald Rumsfeld hat den US-Veteran James Steele damit beauftragt, Todesschwadronen aufzubauen, um der Bevölkerung durch Terror Angst einzujagen und Aufständische sowie deren Sympathisanten zu eliminieren. Steele hatte das schon einmal gemacht, und zwar während des Bürgerkriegs in El Salvador. Deshalb wurde dieses Vorgehen als Salvador-Option bekannt. Der zweite Sonderberater hieß James H. Coffman, ebenfalls ein pensionierter US-Oberst. Bereits Ende 2005 waren die Todesschwadronen berüchtigt.

Im Oktober 2006 wurde eine Einheit der irakischen Armee festgenommen, als sie Menschen in sunnitischen Vierteln im Westen Bagdads ausgeraubt haben. Einige Stunden später tauchte ein Beamter des Verteidigungsministeriums auf und sagte den Amerikanern, sie müssten die Männer freilassen. Ihr Einsatz sei von Maliki angeordnet worden.

Der Islamische Staat im Irak (ISI) wurde 2006 gegründet, nachdem Abu Musab al-Zarqawi, Anführer der al-Qaida im Irak (AQI), durch einen US-Luftangriff getötet wurde. Ende 2005 und 2006 entstand als Koalition sunnitischer Gruppen die Sahwa-Bewegung. Indem sie bewaffnete Kräfte gegen al-Qaida bzw. ISI bildeten, verringerte sich auch die Präsenz der Regierungstruppen und Todesschwadronen.

Brigadegeneral Jim Huggins, der für die irakische Polizei im sunnitischen Gürtel südlich von Bagdad zuständig war, hatte der Polizei Ende 2007 eine Liste mit Namen von 3000 mehrheitlich sunnitischen Rekruten gegeben. 400 davon wurden auch eingestellt, sie waren allesamt Schiiten. Von 63.000 Sahwa-Mitgliedern hatten Ende 2007 nur einige Tausend eine Einstellung bei der irakischen Armee oder Polizei gefunden. Laut diversen Berichten sollen syrische und iranische Geheimdienste Anschläge im Irak organisiert haben, um den Konflikt anzuheizen.

Nachdem al-Qaida durch die Sahwa ausgeschaltet wurde, begann die Regierung, gegen sie vorzugehen. 2008 ordnete Maliki die Verhaftung von 650 führenden Mitgliedern der Sahwa an. Etwa der schiitische Kleriker Jalal al-Din al-Sagheer sagte, der Staat dürfe sie nicht dulden. General Nasser al-Hiti, Anführer der Muthanna-Brigade, behauptete, Sahwa-Mitglieder seien wie Krebsgeschwüre. Hunderte Sahwa-Mitglieder sollen getötet worden sein.

Vor der Parlamentswahl am 7. März 2010 hat Malikis Wahlkommission am 15. Januar 500 Kandidaten Verbindungen zur Saddams Baath-Partei vorgeworfen und ihnen die Kandidatur verweigert. Obama erklärte den Krieg am 31. August 2010 offiziell für beendet. Maliki setzte seinen Kurs nach Abzug der letzten US-Truppen im Dezember 2011 unvermindert fort: Monat für Monat wurden bei Großrazzien in sunnitischen Gebieten über Tausend Frauen und Männer gefangengenommen, darunter Bürgermeister, Abgeordnete und Angehörige von Provinzregierungen. Die Betroffenen erwarteten Folter, Isolationshaft, erpresste Geständnisse, unfaire Gerichtsverfahren und Hinrichtung.

Der irakische Vizepräsident Tariq al-Haschimi wurde im Dezember 2011 wegen Terrorismus angeklagt. Dieser machte hierfür unter Folter erzwungene Aussagen seiner Leibwächter verantwortlich. Nachdem im Dezember 2012 der sunnitische Stellvertreter Malikis und Finanzminister Rafi al-Issawi sowie über Hundert Angestellte und Sicherheitsleute in seinen Büros festgenommen wurden, brachen Proteste aus.

Am 21. Dezember 2012 versammelte sich in Falludscha auf dem Platz der Würde an der großen Ausfallstraße nach Bagdad eine Menschenmenge. Die Proteste breiteten sich rasch über das gesamte sunnitische Gebiet aus, wichtige sunnitische Stammesführer und Politiker forderten den Rücktritt des Ministerpräsidenten. Schon in den ersten Tagen wurden mindestens zehn Demonstranten erschossen und über 100 verletzt.

Am 23. April 2013 wurden über 50 sunnitische Demonstranten in Hawija in der nordirakischen Provinz Kirkuk massakriert und 110 verletzt, als Malikis Truppen in den frühen Morgenstunden das Feuer eröffneten. Die Proteste, denen sich viele prominente sunnitische Politiker und Stammesführer angeschlossen hatten, dauerten das ganze Jahr über an.

Im Dezember 2013 wurden Proteste in Ramadi blutig niedergeschlagen.  Am 28. Dezember 2013 wurde der sunnitische Parlamentsabgeordnete Ahmed al-Alwani bei einer Razzia bei ihm zu Hause festgenommen. Bei der Festnahme wurden sein Bruder und fünf seiner Leibwächter getötet. Alwani war ein bekannter Unterstützer der Proteste. Am 30. Dezember begann der Aufstand in Anbar, der sich ausbreitete. Seit 2003 wurde der Aufstand der sunnitischen Araber bei jeder Iteration besser organisiert als zuvor. Jedes Mal haben die Aufständischen aus den Erfahrungen und der Niederlage der Vorgänger gelernt. Sektiererische Politik, Korruption und Verlust der Souveränität haben für Chaos gesorgt. In der Ära Malikis sind 300 Mrd. USD aus der Staatskasse verschwunden.

Der sunnitische Verteidigungsminister Khaled al-Obaidi ist mittlerweile wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetreten. Obaidi ist Verbündeter von al-Abadi. Obaidis Rivale, der Parlamentssprecher Salim al-Jubouri, ist ebenfalls Sunnit. Obaidi sagte, der Grund für das Misstrauensvotum gegen ihn sei, dass er einen korrupten Rüstungsdeal ablegelehnt habe. Bilgay Duman von ORSAM sagt, dass eine knapp 100-köpfige Gruppe vom Hardlinern um Maliki im irakischen Parlament Druck auf al-Abadi ausübt. Diese Gruppe habe gute Beziehungen zu schiitischen Milizen und stecke auch hinter dem Beschluss des Parlaments vom 4. Oktober gegen die Türkei. Im Iran-Irak-Krieg kämpfte Maliki auf Seiten des Irans gegen den Irak und kehrte erst mit dem Irakkrieg ins Land zurück.

Laut Berichten sind die 70.000 Truppen der irakischen Regierung bereits geflohen, bevor 800 ISIS-Kämpfer im Juni 2014 in Mossul einmarschiert sind. Sie sind möglicherweise vor anderen Gruppen geflohen. Haidar al-Abadi erklärte, die irakische Armee habe alleine in Mossul 2.300 Humvees zurückgelassen. Die Waffen, die Daesh benutzt, wurden in Irak und Syrien erbeutet und stammen aus Russland, USA, China und der EU.

Im Jahr 2013 wurde ISI auch in Syrien aktiv und nannte sich fortan ISIS: Ad-Dawla al-Islamiyya fi al-'Iraq wa-sh-Sham, Islamischer Staat im Irak und der Levante. In Syrien kämpfte ISIL überwiegend gegen Regimegegner.

Neben ISIS kämpft eine Reihe weiterer Gruppen gegen das Regime in Bagdad. Viele der Aufständischen kämpften zuvor an der Seite der Regierung gegen ISI.

Der Militärische Rat Irakischer Revolutionäre (GMCIR) wurde im Januar 2014 gegründet und ist eine Schirmorganisation, der viele Gruppen angehören. Er ist in Anbar (insb. Ramadi und Fallujah), Salahuddin, Baghdad, Abu Ghraib, Mossul und Diyala aktiv. Zum GMCIR gehören die Naqshbandi-Armee (JRTN), die Brigaden der Revolution von 1920 (Kataib Thawarat al-Ishreen), die Islamische Armee im Iraq (IAI - Jaish al-Islam fil Iraq), Jaish al-Rashideen sowie Hamas im Irak. Das Oberkommando für Kampf und Befreiung (SCJL) besteht aus über 20 Gruppen. Es untersteht Izzat Ibrahim al-Duri. Die größte ist die Naqshbandi-Armee (JRTN), die von al-Duri angeführt wird, und hat über 5.000 Kämpfer.

Im Juni 2014 erklärte Muzhir al-Qaisi, Sprecher von GMCIR, dass sie wegen der Verbrechen Malikis revoltieren und Menschenrechtsverletzungen durch ISIS nicht unterstützen. GMCIR werde von ehemaligen Offizieren angeführt und strebe eine politische Lösung an.

Eine zweite Gruppe ist der Revolutionäre Rat der Stämme von Anbar, der am 30. Dezember 2013 gegründet wurde. Er besteht aus 78 Stämmen und 41 bewaffneten Gruppen. Er hat knapp 15.000 Kämpfer und ist in Fallujah, Ramadi, Mossul, Anbar und Diyala aktiv. Die dritte Gruppe nennt sich die Armee von Stolz und Würde (Army of Pride and Dignity) und wurde 2013 gegründet. Sie ist insb. in Anbar, Mossul und Salahaddin aktiv.

Fadhil Barwari, Oberhaupt des einflussreichen kurdischen Berwari-Stamms, sagte im August 2014, sunnitische Stämme seien fähig und bereit, ISIS zu schlagen. "Wann immer uns etwas zugestoßen ist, gehörte die Türkei zu denen, die uns zuerst zur Hilfe geeilt sind. Auch jetzt erhalten wir die gleiche Unterstützung und sind froh darüber", erklärte Berwari außerdem.

Es gibt auch sunnitische Gruppen, die unter dem Kommando Bagdads kämpfen. Am 5. Oktober traf ein Luftangriff der US-Koalition eine Gruppe, die zu den Stammensmobilisierungseinheiten (TMF) gehört. 21 Kämpfer kamen dabei ums Leben. Die TMF teilten anschließend mit, dass die Koordinaten ihrer Kämpfer zuvor allen verbündeten Kräften mitgeteilt worden sind. Das US-Zentralkommando CENTCOM erklärte, die Koordinaten für den Luftschlag seien von der irakischen Regierung übermittelt worden.

AFP berichtete im Juni 2014, dass es in Kirkuk zu Kämpfen zwischen JRTN und ISIS kam, bei denen 17 Kämpfer ums Leben gekomen sind. Laut Berichten ist es in häufig zu Zusammenstößen gekommen. Etwa am 7. April sollen in Hamrin ein Anführer von JRTN und sein Sohn von ISIS getötet worden sein, am 28. Mai acht Kämpfer der Naqshbandi in Baiji. Im Juli 2014 wurde erneut über heftige Zusammenstöße in Mossul zwischen den beiden Parteien berichtet, bei denen zwölf Naqshbandi-Kämpfer und eine unbekannte Zahl an ISIS-Mitgliedern getötet worden seien. Ebenfalls im Juli sollen Dutzende hochrangige Ex-Offiziere und ehemalige Mitglieder der Baath-Partei von ISIS festgenommen worden sein.

Im Juni 2015 wurde berichtet, dass ISIS in Mossul 131 ehemalige Soldaten und Offiziere hingerichtet haben soll, weil sie verdächtigt wurden, Bewegungen und Militärbasen der Gruppe auszuspähen. Der irakische Vizepräsident Osama al-Nujaifi erklärte auf einer Pressekonferenz am 17. April, ISIS habe Hunderte Offiziere des Militärs und der Polizei hingerichtet, die unter Saddam gedient haben. In Mossul lebten viele hochrangige Offiziere Saddams. Im Juli 2015 wurde berichtet, dass ISIS in Mossul zehn Ex-Offiziere wegen Spionagevorwürfen hingerichtet hat. Zudem soll der ehemalige Parlamentskandidat Ebrahim Saleh Badraniyeh exekutiert worden sein.

Im Juli 2016 berichtete der Pressebeauftragte der KDP von Mossul, Said Memuzini, dass es in  Mossul zwischen ISIS und der Naqshbandi-Armee Gefechte mit vielen Toten auf beiden Seiten gab.

Laut einem Bericht des Washington Institutes aus dem Jahr 2005 war die Stadt Mossul und ihre Provinz Nineveh der stärkste Knotenpunkt des Aufstands. Es wurde geschätzt, dass sich in Nineveh 1.100 ehemalige Generäle, 2.000 Oberste und Oberstleutnante und 4.000 sonstige Offiziere sowie 103.000 ehemalige Soldaten befinden.

Schlussfolgerungen

Menschen dürfen nicht dazu gezwungen werden, den Ort zu verlassen, der ihre Heimat ist, um die demographische Struktur künstlich zu verändern. Straflosigkeit führt zu einer Gewaltspirale. Verbrechen wie Folter, sexuelle Gewalt und Morde müssen verhindert und aufgeklärt werden. Die bisherige Politik in Syrien und Irak zielte darauf ab, die sunnitische Bevölkerung zu marginalisieren, um zu verhindern, dass muslimische Länder zusammenarbeiten. Neben Sektierertum werden dabei nationalistische, sozialistische und atheistische Bewegungen von außen gefördert. Die Schiitisierung, die unter al-Abadi fortgeführt wird, führt zu einem konfessionellen Konflikt, der sich weiter ausbreiten könnte. Selbst wenn ISIS zum Rückzug gezwungen wird, könnte er oder eine andere Gruppe wie im Juni 2014 Mossul erneut einnehmen, wenn man nicht auf repräsentative Kräfte setzt und willkürliche Übergriffe auf die Bevölkerung nicht verhindert. Die Kräfte hinter dem Konflikt in Irak und Syrien unterstützen Flüchtlingsgegner in Europa, um Deutschland und Europa zu destabilisieren.

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